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Archiv-Artikel

Triste Aussichten für Nazigegner

Bundesregierung will Aktionsprogramm gegen rechte Gewalt auf Islamismus und Linksextremismus ausweiten. Die Folge wären sinkende Fördergelder für Antinazi-Projekte, vor allem in Brandenburg

von Beate Selders

Brandenburger Projekten gegen Rechtsextremismus drohen einschneidende Mittelkürzungen. Hintergrund sind Ankündigungen des Bundesministeriums für Jugend und Familie, aktuelle Förderprogramme ab dem kommendem Jahr auch auf Islamismus und Linksextremismus auszudehnen – ohne die Gelder aufzustocken. Bei Initiativen stößt die Neuausrichtung auf scharfe Kritik: „Die politische Aussage ist: Rechtsextremismus ist nicht unser Hauptproblem. Das ist fatal und falsch“, sagt Heinz-Joachim Lohmann, Superintendent von Wittstock und Vorsitzender des Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit.

Konkret geht es um das Bundesprogramm „Jugend für Toleranz und Demokratie“. 2001 wurde es mit seinen Teilprogrammen Civitas und Entimon als „Aktionsprogramm gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“ aufgelegt. Das Volumen beträgt 19 Millionen Euro pro Jahr, der Schwerpunkt liegt auf den ostdeutschen Bundesländern. Ende diesen Jahres läuft das Programm regulär aus. Nach Auskunft des parlamentarischen Staatssekretärs im Familienministerium, Hermann Kues, soll im Herbst ein Nachfolger vorgestellt werden, der ab 2007 gelte. Titel: „Förderung von Vielfalt, Toleranz und Demokratie“. Die Fördersumme bleibe bei jährlich 19 Millionen Euro. Das Programm werde aber um Maßnahmen gegen Islamismus und für die Erforschung des Linksextremismus erweitert. Kürzungen bei Projekten gegen Rechtsextremismus scheinen unvermeidlich.

In den Jahren 2001 bis 2005 sind aus dem laufenden Civitas-Programm 4,7 Millionen Euro in Brandenburger Projekte gegen Rechtsextremismus geflossen. Vier Netzwerkstellen, die Arbeit des Vereins Opferperspektive und mehr als 200 lokale Initiativen konnten damit bezuschusst werden. Das hört sich nach viel an, ist aber angesichts der hohen Akzeptanz rechtsextremen Gedankenguts eine geringe Summe. Und: Die Mittel reichen schon heute nicht aus.

Dennoch ist Brandenburg im Vergleich mit den ostdeutschen Bundesländern ein Musterländle, wenn es um den Kampf gegen Rechtsextremismus geht. Die gesellschaftliche Dimension des Problems wurde vergleichsweise früh erkannt, die öffentliche Debatte mündete 1998 in das Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“, das von allen Parteien getragen wird. Das Mobile Beratungsteam (MBT) wird mit 14 Stellen vollständig vom Land finanziert – die Landesregierung in Thüringen etwa ist nicht einmal bereit, die Kofinanzierung zu tragen. Konzepte, wie das des Vereins Opferperspektive, der Beratung von Opfern rechter Gewalt mit kommunaler Intervention verbindet, wurden in Brandenburg entwickelt und von anderen Ländern übernommen.

Allein wegen dieser Erfahrungen wäre es sinnvoll gewesen, die Verantwortlichen für das neue Bundesprogramm hätten sich vor Ort informiert, sagt Wolfram Hülsemann, Leiter des MBT und Mitglied im Beirat von Civitas. Mehr Kommunikation mit den Adressaten der Gelder, den Ländern, findet er grundsätzlich wünschenswert: „Immerhin maßt sich der Bund an, mit dem Programm bis in die kommunalen Strukturen hineinzuwirken.“ Auf mangelnde Kommunikation führt Hülsemann auch die inhaltliche Ausrichtung des neuen Aktionsprogramms zurück. Die Ausdehnung auf Islamismus und Linksextremismus sei der Situation in den Ländern nicht angemessen und auch konzeptionell nicht nachvollziehbar. „Ich verstehe schlechterdings das Ansinnen mit diesem Förderprogramm, so wie es sich derzeit darstellt, nicht.“

Für Bernd Mones, den Geschäftsführer des Landesjugendrings, in dem 32 Jugendverbände organisiert sind, ist die Neuausrichtung ebenfalls unverständlich. „Es gibt in Brandenburg keinerlei Anzeichen für eine Problemlage Islamismus oder Linksextremismus. Dagegen ist der Rechtsextremismus in Ostdeutschland ein flächendeckendes Problem.“ In einem Papier zu den Plänen des Bundesfamilienministeriums, das die Jugendringe der östlichen Länder an die jugendpolitischen Sprecher der Parteien verschickten, heißt es sachlich-unterkühlt: Man erwarte, „dass die Mittel zur Förderung von Zivilgesellschaft auch zukünftig vor allem nach der inhaltlichen Notwendigkeit vergeben werden.“

Auch das landesweite Aktionsbündnis mit dem Vorsitzenden Heinz-Joachim Lohmann ist inzwischen aktiv geworden. Es hat einen Brief an alle Brandenburger Bundestagsabgeordneten verschickt mit der Bitte, sich einzumischen „und auf eine Verstetigung der bisher geleisteten Arbeit hinzuwirken“.