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Tricksen mit VerpackungsgrößenMehr Geld für weniger Ware?

Bislang dürfen Schokoladentafeln 85, 100 oder 125 Gramm wiegen. Demnächst sind aber auch Zwischenformate möglich. Warum das vor allem für ältere Menschen ein Problem ist.

Verbraucherschützer fürchten Preiserhöhungen durch neue Verpackungsgrößen. Bild: dpa

Die Tafel Schokolade kostet weiterhin 79 Cent, auch die Verpackung sieht aus wie immer - aber sie enthält nur noch 95 statt 100 Gramm Schokolade. Viele Käufer bemerken den Unterschied wohl erst zu Hause - und können sich dann nur noch ärgern. Denn am Ostersamstag tritt eine Reform einer Bundesverordnung über die Größen von Verpackungen in Kraft. Sie erlaubt es den Firmen, frei zu entscheiden, wieviel sie in eine Packung füllen.

Für Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg ist das der Freibrief für versteckte Preiserhöhungen. "Diese Masche wird jetzt einfacher als bisher", sagt der Ernährungsexperte. Nur für Wein, Sekt und Spirituosen schreibt die von der EU veranlasste Verordnung noch Füllmengen vor.

Bisher durften die Hersteller die Füllmengen in den Verpackungen nur in großen Schritten ändern, die die Verordnung festlegte. Eine Schokoladentafel durfte zum Beispiel 85, 100 oder 125 Gramm wiegen. Bei diesen Abständen konnten die Käufer den Unterschied meist schon bei flüchtigem Hinsehen erkennen, erklärt Valet - anders als bei den nun möglichen 5-Gramm-Schritten. Der Experte warnt: "Wir befürchten, dass die Hersteller diesen Spielraum ausnutzen werden mit der Intention, den Verbraucher zu verwirren."

Die Sorge kommt nicht von ungefähr. Auf ihrer Internetseite listen die Hamburger Verbraucherschützer Preiserhöhungen durch neue Verpackungsgrößen aus den vergangenen Jahren auf. Der aktuellste Fall sind Windeln der Marke Pampers, für deren Verpackungen schon lange keine Füllmengen vorgeschrieben sind. "Die haben seit Jahren 8,95 Euro gekostet. Dann werden einfach 20 Prozent weniger reingelegt. Wer nicht genau hinsieht, zahlt mehr", so Valet.

Das Argument der Industrie, dass es immer mehr Single-Haushalte gebe, die flexiblere Packungsgrößen bräuchten, lässt er nicht gelten. "Auch die alte Verordnung hat kleinere Größen zugelassen, zum Beispiel 0,75-Liter-Flaschen für Milch." Wenn die Branche diese Möglichkeit kaum genutzt habe, scheint der Bedarf wohl doch nicht so groß zu sein.

Der Verbraucherschützer rät Käufern nun, vor allem auf den so genannten Grundpreis zu achten, der bei Lebensmitteln vorgeschrieben ist: Die Händler müssen angeben, wieviel ein Liter oder Kilogramm kostet. Doch auch hier tricksen viele Geschäfte. Bei einer Stichprobe in einem Edeka- und einem Real-Markt in Hamburg waren die Grundpreise laut Valet in einer Schrift gedruckt, die nur rund drei Millimeter hoch war. Valet: "Das können gerade viele Senioren nicht lesen." In anderen Geschäften seien die Grundpreise oft nicht aktuell. Bei Produkten wie Toilettenpapier, bei denen sie nicht audrücklich verlangt sind, verzichteten viel Händler gleich völlig. Der Verbraucherschützer verlangt deshalb, dass der Grundpreis genauso groß gedruckt werden muss wie der Verpackungspreis.

Markus Jablonski, Sprecher von Real, kommt das nicht in die Tüte, egal wie groß sie ist. "Der Kunde muss auf einen Blick sehen: Was kostet der Artikel?", gibt er zu Protokoll. Deshalb sei der Grundpreis als zusätzliche Angabe kleiner. In den Reallädern seien die Preise "lesbar für jeden mit normaler Sehkraft". Das Problem mit der nachlassenden Sehkraft im Alter sieht er nicht: "Wir haben bisher nicht eine Beschwerde." Ein Edeka-Sprecher wollte die Vorwürfe vor einer Stellungnahme zunächst prüfen.

Der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels verweist darauf, dass nach geltender Rechtslage lesbare Preise Pflicht seien. "Sollte es Verstöße geben, muss man dem nachgehen und das korrigieren. Aber das ist kein Grund, Packungsgrößen vorzuschreiben", erklärt Geschäftsführer Hubertus Pellengahr.

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5 Kommentare

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  • L
    Lumpy

    Jeder kann sich davon im Supermarkt überzeugen: die Aufhebung der einheitliche Gebindegröße durch die EU hat durchgängig zu Preiserhöhungen geführt. Diesbezüglich hat die EU ganze Arbeit geleistet. Der Binnenmarkt wurde dadurch gründlich harmonisiert -- Nepp und Gaunereien wie im Urlaub. Es grenzt schon an Betrug, mit welchen Tricks die Verbraucher getäuscht werden.

     

    Nachdem schon durch die Euroumstellung das Preisgefühl auf den Kopf gestellt wurde, passiert es durch die beliebigene Mengen jetzt wieder, jedoch nachhaltiger.

     

    Generell kann man sagen: Augen auf bei neuen Verpackungen mit Sprüchen wie "Neue Rezeptur" oder "jetzt noch besser". Sie sollen nur von der geringere Menge ablenken.

     

    Mein Rat: gar nicht mehr auf den ausgelobten Preis achten, sondern sich angewöhnen, nur noch den Grundpreis zu vergleichen. Alles andere ist Illusion.

  • M
    Micha

    Ich achte immer auf den Preis, denn sonst kann man sich ja nicht gegen die Abzocke wehren.

     

    Die gewählten Politbonzen machen die Gesetze doch genau so, wie die Industrie und der Handel es wollen. Zum Schaden Ihrer Wähler!!!

     

    Denn sie wissen genau, dass man uns Verbraucher nur komplett mit verschiedenen Packungsgrössen und ständig wechselnden Preisen verwirren muss, um direkt in unsere Geldbeutel greifen und abkassieren zu können.

     

    Kaum ein Kunde schreibt sich doch vor jedem Supermarkt-Einkauf die Preise auf und vergleicht sie mit den Preisen anderer Geschäfte.

     

    Die Ladenketten wollen uns beim Einkauf leider ständig aufs Kreuz legen, damit möglichst viel Geld in ihrer Kasse bleibt. Nicht nur mit ihren eigenen Mitarbeitern springen sie um wie mit dummem Vieh.

     

    Da bleibt nur eines: Was immer nur geht gezielt zum günstigsten Preis kaufen. Und sich nicht erst im Supermarkt entscheiden, sondern einen genauen Einkaufzettel machen. Dann verdienen die Läden als Antwort weniger. Nur so können wir Kunden doch ein Zeichen setzen!

     

    Wer sich nicht alles gefallen lassen will, sollte sich vor dem Wocheneinkauf auch neutral im Web informieren. Und nicht nur die bunten Werbezetteln der Läden lesen. Denn auch die sind voller vom Staat erlaubter Werbetricks. Was z.B. angeblich günstig sein soll, muss es oft nicht sein!

     

    Mir helfen dabei besonders die Seiten

     

    www.volkssparen.com

     

    und

     

    www.erfolgssparen.com

     

    Bei der ersten Seite suche ich z.B. bei Becks und Persil die günstige Preise vor Ort. Die zweite Seite ist noch praktischer. Sie meldet mir jede Woche die besten Preise meiner ständig gekauften Produkte und warnt mich gleichzeitig vor möglichem Nepp im Laden. Und sie zeigt zeigt mir ganz genau, welcher Laden für mich der günstigste ist.

  • M
    michaelbolz

    Stimme meinen Vorrednern zu, außerdem: Die Idee ist nicht neu. Ich entnehme der Packung 20% und verkaufe das Packet mit dem Slogan: + 20% mehr Inhalt für denselben Preis - wie etwa bei Windeln.

  • S
    sack

    ich bin nicht alt - aber ich will mein leben nicht mit dem vergleichen von packungsgrößen vergbringen. wieviele menschenleben ab nun in der eu jedes jahr damit verloren gehen das packungsgrößen studiert werden müssen - das wäre eine interessante untersuchung.

  • HW
    Hans Werner

    Vor allem müssten die ausgerechneten Grundpreise auch stimmen. Sehr oft sind dabei nämlich (absichtlich?) falsch gerechnete Grundpreise angegeben.