Triathlon in Deutschland: Ein fränkischer Mythos

Am Sonntag starten rund 3.000 Teilnehmer beim Triathlon in Roth. Erstmals dabei: Weltmeister Jan Frodeno, der Rekorde aufstellen will.

Viele Schwimmer

So war es im Jahr 2003: Eröffnung des Triathlos in Roth Foto: ap

ROTH taz | Roth? Der von den „Tagesthemen“? So reagieren die einen. Die anderen hingegen bekommen ein Glänzen in den Augen, weil sie dabei an die Stadt im Fränkischen denken. Roth, 24.000 Einwohner, Kreisstadt, ist the place to be in Deutschland, wenn es um Schwimmen, Radfahren und Laufen auf der langen Distanz geht – all das, was unter dem Namen Ironman läuft, aber in Roth nicht so heißen darf.

Knapp dreieinhalbtausend Männer und Frauen werden am Sonntag ab sechs Uhr morgens in den Main-Donau-Kanal steigen und 3,8 Kilometer schwimmen, dann zweimal über eine hügelige 90-Kilometer-Runde radeln und schließlich über die klassische Marathondistanz von 42,195 Kilometer am Kanal entlang laufen, bevor es ins dicht besetzte Stadion geht.

Wettkämpfe über die Langdistanz gibt es viele, etwa den „Barockman“ in Moritzburg bei Dresden, den „Ostseeman“ in Glücksburg, in Frankfurt am Main findet die EM statt. Da ist die Teilnahme oft günstiger als in Roth, wo 450 bis 530 Euro Startgebühr fällig sind. Allerdings braucht man den Blick nur über die Rennräder in den Wechselzonen schweifen zu lassen, um zu wissen, dass das eher eine zu vernachlässigende Größe ist.

Räder für mehrere tausend Euro hat hier nicht nur der derzeit beste Triathlet der Welt, Jan Frodeno, der zum ersten Mal in Roth gewinnen und dabei auch den Streckenrekord brechen will, der auch Weltrekord ist. Der Begriff Rennrad klingt nach den achtziger Jahren – hier stehen Zeitfahrmaschinen mit Hörnern, auf denen die Arme aufliegen.

Ein Bild wie in Alpe d’Huez

Was Roth so attraktiv macht, sind Momente wie der in Roths Nachbarort Hilpoltstein. Da rollen die Fahrer nach ein paar Anstiegen in einen leer scheinenden Ort. Von irgendwoher dringen Geräusche, aber die Konzentration liegt erst mal darauf, eine 90-Grad-Kurve sicher zu nehmen. Die Lärmquelle kommt direkt hinter der Kurve, am Solarer Berg: eine Mauer aus Menschen, die nur eine schmale Gasse in der Mitte freilassen. Ein Bild wie in Alpe d’Huez – bloß nicht allein für die Besten, sondern auch für den ambitionierten Freizeitsportler.

Das mit dem Freizeitsportler ist natürlich relativ. Im Vergleich zu dem, der jeden zweiten Tag ein paar Kilometer durch den Park läuft, hat die Vorbereitung professionelle Züge: Pro Woche 6 Kilometer Schwimmen, 150 Kilometer auf dem Rad und 60 bis 70 Kilometer Laufen gelten als unterdurchschnittlich. Frodeno kommt allein auf dem Rad auf 500 bis 600 Kilometer.

Roth, 24.000 Einwohner, ist the place to be in Deutschland, wenn es um Triathlon geht

Der Einstieg in den Triathlon kann aber auch niedrigschwellig passieren, über Schnupper- oder Sprintwettkämpfe, bei denen in der Regel 700 Meter zu schwimmen sind, 20 Kilometer zu radeln und 5 zu laufen. Weitere Formen sind die Kurzdistanz über die etwa doppelt so lange Strecke, über die es auch bei Olympischen Spielen geht, und die Mitteldistanz mit 2,2 Kilometer Schwimmen, 90 Kilometer auf dem Rad und 20 Kilometer Laufen.

Der „Ironman“

Dass Roth in diesem Jahr noch mehr im Fokus steht, hat viel mit Frodeno zu tun, immerhin der erste Triathlet, der Sportler des Jahres (2015) wurde. Den berühmtesten Triathlon, jenen auf Hawaii, gewannen vor Frodeno zwar schon andere Deutsche, zwischen 2004 bis 2006 sogar dreimal in Folge.

Bei Frodeno kam eine Comeback-Geschichte hin­zu: Er war 2008 als Triathlon-Olympiasieger schon ganz oben, konnte sich aber nicht halten – bis er auf die Langstrecke umstieg, die Königsdisziplin, und auf Anhieb auf Hawaii Dritter wurde. Den letzten Kick gibt Frodenos Ankündigung, den Weltrekord von 7:41:33 Stunden knacken zu wollen.

Diesen Text finden Sie auch in der taz.am wochenende vom 16./17. Juli, die sich ansonsten eingehend auf mehreren Seiten mit dem schrecklichen Anschlag von Nizza beschäftigt. Außerdem: Früher fiel Thomas de Maizière mit Besonnenheit auf. Heute gilt der Innenminister als Reizfigur. Wie er seinen Wandel rechtfertigt. Und: Dank Hans Wall gibt es sich selbst reinigende City-Toiletten. Ein Gespräch über Geld und die AfD. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Dem Mythos zufolge wollten 1978 ein paar Männer untereinander klären, welcher Ausdauersportler der fittere sei, der Läufer oder der Schwimmer. Man nannte es „Ironman“, und meinte anfangs nur diesen Wettkampf.

Inzwischen ist der Begriff ein geschütztes Markenzeichen, das einem chinesischen Unternehmen gehört, der unter dieser Bezeichung weltweit über 100 Veranstaltungen laufen lässt. 2006 setzte sich die auf den ersten Blick widersinnige Idee durch, auch Wettkämpfe über die halbe Distanz „Ironman“ zu nennen, ergänzt durch „70.3“, was für die in Meilen umrechnete Distanz steht.

Traum von einem Start in Hawaii

Auch Welt- und Europameisterschaften laufen unter „Ironman“. Roth allerdings gehört nicht zur Ironman-Serie, sondern zu einem Familienbetrieb, der um das Rennen im Fränkischen herum eine zweite internationale Wettkampfserie namens „Challenge“ aufgebaut hat.

Frodenos schon vorab bejubelte Teilnahme in Roth bedeutete auch, dass er auf die Ironman-EM in Frankfurt und also auf die Titelverteidigung verzichten würde. Hintergrund ist, dass der Traum von einem Start in Hawaii sich nur über die Qualifikation bei einem Ironman-Rennen erfüllen lässt.

Das allerdings spielt für das Gros der leistungsorientierten Hobbyathleten keine Rolle. Für einen 40-Jährigen ist oft eine Zeit um die 10 Stunden für ein – natürlich noch extra zu bezahlendes – Hawaii-Ticket nötig. Dafür kommt nur eine sehr kleine Gruppe in Frage. In Roth etwa bedeutete eine weit von jeglicher Qualifikationsnorm entfernte Zielzeit von rund 11 Stunden bei den Männern, immer noch mehr als zwei Drittel des Felds hinter sich lassen zu können.

Das faszinierendste Abschlussbild des Rennens in Roth bietet sich am sehr frühen Morgen danach: Da stehen Hunderte Athleten, die es nur Stunden vorher und nicht immer mit entspanntem Gesichtsausdruck über die Ziellinie geschafft haben, in einer Schlange vor einem großen Zelt an. Ab Montag halb zehn gibt es dort die ersten 1.000 Startplätze fürs nächste Jahr.

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