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Triage: Mensch oder Atom?

Von Peter Grohmann↓

Als allererstes meine ergebensten Wünsche und Hoffnungen – auf Sie und aufs neue Jahr! Ich mach’ jede Wette: Ohne Sie läuft 2022 gar nichts, ob mit oder ohne Triage!

Vor Triage hatte ich noch im letzten Jahr den größten Respekt, ja regelrecht Schiss! Inzwischen habe ich mich kundig gemacht und bin beruhigt: Triage kommt lediglich vom französischen Verb „trier“ und bedeutet so viel wie sortieren! Und im Sortieren sind wir Deutschen Meister! Denken Sie nur mal an DIN A 4 oder wie und über wen das LKA politisch motivierte Straftaten sortiert, oder an die vielen siche­ren Herkunftsländer, falls Sie mal abgeschoben werden sollten. Im einen Land kann das für Sie Folter, Vergewaltigung oder Tod heißen, in einem anderen Land kommen Sie vielleicht mit dem Verlust der Menschenrechte davon.

Triage – das ist ja erstmal nur eine ethische Frage, die die behandelnden Ärzte vor große Herausforderungen stellt. Damals, unterm Hitler, behauptet meine Omi Glimbzsch in Zittau, war für die Ärzte vieles einfacher, weil der Führer jeden Tag ganz allein entschieden hat, was lebenswertes Leben ist und was nicht – also wer nach Grafeneck oder Hadamar oder Sonnenstein oder in eine der anderen Tötungsanstalten kam oder wer im Stuttgarter Bürgerhospital mit dem Leben abwarten konnte. Zugegeben, das ist weit hergeholt. Heute wird sogar demokratisch entschieden, welche Medikamente erforscht und weiter entwickelt werden und welche nicht, weil es sich nicht lohnt. Das ganze Leben ist ein ständiges Für und Wider, ein Abwägen und Aussortieren von Menschen und Möglichkeiten.

Wenn wegen Omikron & Co. KG der Platz auf Intensivstationen knapp wird, wenn zu wenig Ärztinnen und Pfleger und Krankenhäuser und passable Medikamente da sind, kann das – wählen Sie! – am Tarifvertrag liegen, am niedrigen Organisationsgrad der Pflegekräfte, an der grünen CDUSPD­FDP oder der Lobby im Bundestag, Landtag, Gemeinderat, am politischen Bewusstsein der Menschen, an der Ethik – oder daran, dass die meisten Leute glauben statt wissen. Sie bilden sich ein, dass sie doch relativ gesund sind. Sie sollen nicht wollen, dass ihre Steuergelder in gemeinwohl-orientierte und unrentable Zuschussbetriebe fließen: Kultur, Soziales, Gesundheit.

Okay, sie sind tolerant, sie machen auch mal ’ne außerklinische Ausnahme, bei Atomkraft. Jährlich produziert Deutschland 230 Tonnen Atommüll. Weltweit wurde noch keine Lösung gefunden, wie die Abfälle entsorgt werden sollen. 99 Prozent der Leute wollen aber auf keinen Fall, dass der strahlende Atommüll bei ihnen gelagert wird, in gesunden Regionen mit guten Steinen. Sie haben also die Wahl: Hamburg, Hannover, Schwerin, Stuttgart und Bremen liegen da günstig. Oder Triage erste Wahl: Afrika.

Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator von Bürgerprojekten.

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