Trennungsvorlieben: Bremer sind besonders fleißige Mülltrenner
Tonnenkontrolle
Die Bremer sind bundesweit klasse im Mülltrennen. Im letzten Jahr haben sie 85 Prozent der verwertbaren Sachen gesammelt. Das ist zehn Prozent über dem Bundesdurchschnitt. Über die psychologischen Hintergründe des fleißigen Mülltrennens sprach die taz mit dem Heidelberger Wissenschaftler Joachim Schahn.
taz: Herr Schahn, Sie sind Umweltpsychologe und beschäftigen sich mit Mülltrennung. Was macht ein Mülltrennungspsychologe?
Joachim Schahn: Mülltrennungspsychologie gibt’s eigentlich nicht. Das ist nur ein kleines Unterthema der Umweltpsychologie. Die psychologische Betrachtung von Verhaltensweisen wie Mülltrennung wurde eher von außen an die Psychologie herangetragen.
Warum trennen die Menschen denn Müll?
Es gibt zwei Typen von Mülltrennern. Ein Grund ist sozialer Druck. Weil Mülltrennen zu einem ordentlichen Haushalt eben dazugehört. Die andere Gruppe macht es aus Umweltschutzgesichtspunkten. Diese beiden Motivgruppen schließen sich natürlich nicht aus.
Wie wichtig ist dabei ein gutes Ökogewissen?
Die Menschen neigen dazu solche Bilanzen aufzumachen, wenn sie im Grunde ihres Herzens denken, man müsste was tun. Der eine trennt seinen Müll, fliegt aber in Urlaub. Dem dritten ist Mülltrennung egal, dafür hat er kein Auto. Mülltrennung ist etwas, was relativ einfach ist und bedeutet in der Regel keinen Verzicht. Deshalb kann Mülltrennung auch als Entschuldigung für andere Ökoschandtaten herhalten.
Wie geht die Umweltpsychologie mit Extremisten um?
Man kann versuchen die Umweltschutzmotivation bei den Leuten zu fördern. Damit könnte man genau die Leute ansprechen, die schon latent den Umweltschutzgedanken hegen. Die Trenner aus Ordnungsliebe kann man ansprechen, indem man indirekt den sozialen Druck erhöht. Zum Beispiel durch Öffentlichkeitsarbeit. Effektvoller wäre es aber über die Nachbarschaft.
Ist Mülltrennen auch eine Generationenfrage?
Die Jugendlichen gehören heute eher zu den Trennungsverweigerern. Das liegt daran, dass die Jugendkultur sehr auf Spaß und Bequemlichkeit ausgerichtet ist. Viele von diesen Verhaltensweisen sind nicht mit Mülltrennung vereinbar.
Was für eine Auswirkung hat die Art der Trennung?
Alles was den Aufwand der Leute verringert, führt natürlich dazu, dass die Quoten steigen. Das steigert aber nicht unbedingt die Sortenreinheit. In Gebieten mit Großcontainern wird oft schlechter getrennt, als in Gebieten, wo zwei oder drei Haushalte eine Tonne gemeinsam benutzen.
Welchen Müll sammeln die Menschen am meisten?
Wenn man vom Gewicht ausgeht, dann ist es sicherlich Glas und Papier. Weil es schwer ist und weil es schon lange getrennt gesammelt wird. Schlechter sieht die Bilanz bei Dingen aus, die man nicht richtig einschätzen kann, etwa bei Verpackungen.
Fragen: Verena von Ondarza
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