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TreberhilfeHilfssystem außer Kontrolle

Der Paritätische schließt die Hilfsorganisation aus, die Opposition fordert bessere Kontrollen. Senatorin kündigt Bundesratsinitiative für neue Förderpraxis an.

Nach den jüngsten Enthüllungen über den Treberhilfechef Harald Ehlert hat der Paritätische Wohlfahrtsverband am Donnerstag die Hilfsorganisation wegen "verbandsschädigenden Verhaltens" ausgeschlossen. Verschiedene Medien hatten am Mittwoch berichtet, dass Ehlert sich ein Monatsgehalt von 35.000 Euro genehmigt. Jetzt steht nicht nur er in der Kritik: "Das ist nicht nur ein Skandal der Treberhilfe, das ist auch ein Skandal des Senats", kritiserte Jasenka Villbrandt, die sozialpolitische Sprecherin der Grünen, am Donnerstag die Kontrollpraxis. Auch die CDU bemängelt eine "intransparente Zuwendungspaxis" und "mangelnde Kontrollen".

Nach Bekanntwerden der neuesten Vorwürfe gegen Ehlert hatte Sozialsenatorin Bluhm (Linke) am Mittwoch ankündigte, die Staatsanwaltschaft und die Finanzverwaltung einzuschalten. Den Grünen und der CDU ist das zu spät und zu wenig: Der sozialpolitische Sprecher der CDU Gregor Hoffmann beklagte im Abgeordnetenhaus, dass die intransparente Zuwendungspraxis und ungenügende Kontrollen "Wildwuchs, Filz und Misswirtschaft" begünstigten und dem gesamten Berliner Hilfesystem schade. Die Grünen fordetern eine strengere Überwachung: "Die Kontrollsysteme sind vor 30 Jahren stehen geblieben", konstatierte Villbrandt gegenüber der taz.

Dem Senat seien die Hände gebunden, wehrte sich Sozialsenatorin gegen die Vorwürfe. Die bundesrechtlichen Regelungen würden keine regelmäßigen Kontrollen zulassen. Man werde sich über den Bundesrat für eine Verschärfung der Kontrollen einsetzen, kündigte die Senatorin im Abgeordnetenhaus an.

Die derzeitigen Kontrollmechanismen scheinen genügend Schlupflöcher für eine persönliche Bereicherung zu bieten, auch in gemeinnützigen Unternehmen: Bezirke und Senat können nur prüfen, ob die Leistungen, für die sie öffentliche Gelder ausgeben, von den freien Trägern erbracht wurden. Sowohl Sozialsenatorin Bluhm als auch ihre Vorgängerin Heidi Knake-Werner (Linke), die seit zwei Wochen im neu gegründeten Aufsichtsrat der Treberhilfe sitzt, bescheinigen der Treberhilfe, gute Arbeit zu leisten.

Ob der Status der Gemeinnützigkeit, der vor allem Steuervorteile mit sich bringt, gegeben ist, überprüfen die Finanzämter alle drei Jahre durch Stichproben. "Bei solchen Prüfungen werden zwar auch Personalkosten geprüft, aber nur mit einem groben Raster, also lediglich die Gesamtpersonalkosten", erklärt Daniel Abbou, Sprecher der Finanzverwaltung. Sollte die Steuerverwaltung bei ihrer angekündigten Prüfung feststellen, dass die Treberhilfe die Bedingungen für Gemeinnützigkeit nicht mehr erfüllt, müsste das Sozialunternehmen für die vergangenen Jahre Steuern zurückzahlen, erklärt Abbou.

Bluhm kündigte für Montag ein Treffen mit den Bezirken an. Es solle über eine Überführung der Treberhilfe in eine andere Rechtsform beraten werden, um die Arbeitsplätze der 280 Treberhilfe-Mitarbeiter zu erhalten.

JESENKA VILLBRANDT, GRÜNE

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3 Kommentare

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  • S
    sellerie

    tja, herr ehlert.....

    meine mutter dreht sich in ihrem grab um. das können sie aber glauben.

  • Y
    Yefrosinia

    Sehr lustig. Die versammelte Berliner Sozialdemokratie hält komischerweise seit Wochen in dieser Angelegenheit verdächtig die Füße still. Und die linke Senatorin kündigt was an.

     

    Au weia.

     

    Wahrscheinlich wird und wurde sie von den gesammelten Wowereiten auf das alerhärteste bearbeitet, so dass ihr nichts anderes blieb, als in der Abendschau hilflos das ganze Schlamassel der CDU in die Schuhe zu schieben. Mehr haben sie ihr nicht jelassen. Armes Hascherl.

  • K
    knallfrosch

    Eine Sozialpädagogin enthüllt:

     

    „Ich sollte auf die Straße und wahllos Obdachlose suchen. Hätte ich 15 geschafft, wäre eine zweite Kraft eingestellt worden. Die hätte dann wieder 15 Obdachlose finden sollen“, so die 52-Jährige.

     

    „Als Köder stellte er mir einen weißen 1er-BMW als Dienstwagen in Aussicht. Dafür müsste ich aber auch 75 000 Euro Monatsumsatz erzielen.“

     

    Ein Schneeballsystem mit den Ärmsten der Armen.

    Sollte Herr Ehlert etwa mit Teilen all der „schönem Dingen, mit denen ich mich umgebe, und alle bar bezahlt!“ auf einer NSU-Quickly mit Designer-Hut und Schal durch die Gegend rasen?

    Also das geht ja nun wirklich nicht!

    Es sei wichtig, sich optisch deutlich von der Klientel abzugrenzen, „damit Unterschiede sichtbar sind“, so Ehlert zu Beginn des Einstellungsgespräches zu der Sozialpädagogin in Ehlerts Dienst-Villa „denkMal“ am Schwielowsee (Caputh), in der "ich zur Miete wohne mit all den schönen Dingen, mit denen ich mich gerne umgebe, und alles bar bezahlt".

    Angeblich 35000 Euro Monatsgehalt erscheinen hierfür durchaus angemessen.