: Trauschein schützt vor Strafe nicht
■ Bundestag debattiert drei Gesetzentwürfe zur Strafbarkeit von Vergewaltigung in der Ehe
Bonn (taz) – Alle beschworen sie die „sexuelle Selbstbestimmung“ der Frau. In der gestrigen Bundestagsdebatte zeichnete sich ein grundsätzlicher Konsens aller Parteien darüber ab, Vergewaltigung auch in der Ehe unter Strafe zu stellen. Dies sehen drei Gesetzentwürfe von Bundesrat, SPD und PDS vor, die dem Parlament gestern zur ersten Lesung vorlagen. Alle drei Entwürfe sehen vor, den erzwungenen vaginalen, oralen und analen Geschlechtsverkehr auch in der Ehe mit einer Strafe von bis zu 15 Jahren zu belegen. Die Entwürfe sind durchgängig geschlechtsneutral formuliert, da auch Männer Opfer sexueller Gewalt werden können.
Im Unterschied zur PDS sehen die Entwürfe von Bundesrat und SPD eine Sonderregelung vor. Danach kann das Gericht von Strafe absehen, wenn sich die Partner wieder versöhnen. Von PDS und Bündnisgrünen wird diese Versöhnungsklausel als „Hintertür“ abgelehnt. Sie provoziere geradezu die Erpressung des Opfers durch den Täter, sagte Christina Schenk (PDS). Im Gegensatz zur SPD sieht der PDS- Entwurf die Streichung des minderschweren Falls vor. Auch die Bündnisgrünen wollen diese Ausnahmeregelung streichen. Einen eigenen Entwurf legten sie gestern jedoch nicht vor, da noch innerparteiliche Differenzen über das Mindeststrafmaß herrschen.
Nach derzeit geltendem Recht kann ein Ehemann, der seine Frau vergewaltigt, nur wegen Nötigung oder Körperverletzung bestraft werden. Dies sei eine „völlig unangemessene Lösung“, meinte der CDU- Rechtsexperte Horst Eylmann. Er hofft auf eine breite Mehrheit für die Reform, schließlich seien „nur noch zweit- und drittrangige Fragen offen“.
Daß diese Fragen nur zweitrangig sind, sehen nicht alle seine Fraktionskollegen so. Die Konfliktlinien verlaufen dabei nicht nur zwischen SPD und Union, sondern auch zwischen Union und FDP. Auslöser ist ein Gesetzentwurf von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), der letzte Woche bekannt wurde und dem der SPD ähnelt. Wie die SPD sieht der Entwurf der Justizministerin kein Widerspruchsrecht des Opfers gegen die Strafverfolgung vor. Nur das Gericht soll entscheiden können, ob eine Ehe noch versöhnt werden kann. Mit dem Widerspruchsrecht, bei dem eine Frau in jeder Phase der Ermittlungen das Verfahren einstellen könnte, wäre allein der Frau die Verantwortung aufgebürdet, rechtfertigte Leutheusser-Schnarrenberger ihr geplantes Gesetz. Gleichzeitig sieht ihr Entwurf vor, die Strafvorschriften zu sexueller Nötigung und zu Vergewaltigung zusammenzufassen. Hier bestünde die Gefahr, daß Gerichte Vergewaltigung nur als besonders schweren Fall der Nötigung und damit niedriger bestrafen, kritisierte die Bündnisgrüne Irmingard Schewe-Gerigk.
Frauenministerin Claudia Nolte gab sich gestern liberal. Sie beschwor wieder einmal den hohen Wert der Familie. Als sie nach wenigen Sätzen von der Bündnisgrünen Christa Nickels unterbrochen wurde, ermahnte Parlamentspräsident Hans Klein (CSU) Nickels. Mit seinen Worten „Fangen Sie doch erst mit ihren Zwischenrufen an, wenn etwas gesagt wurde“ erntete der CSU-Mann schallendes Gelächter. Myriam Schönecker
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