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Trauerprodukte auf dem PrüfstandSchöner sterben mit der Urnenkönigin

Margot Käßmann wirbt für mehr Bestattungskultur, indem sie besonders schöne Särge, Urnen und Grabsteine auszeichnet. Manch einer findet das pietätlos.

Schöne Särge: Margot Käßmann prämiert die 30 besten Trauerprodukte. Bild: dpa

Und sie wussten nicht, in welchem Grab sie liegen wollen. Denn sie sprachen nicht darüber. Und Margot sagte: Redet, denn jeder kann sich in seinem Leben aussuchen, ob er über oder unter der Erde liegen will. Ob der Sarg aus Sandstein oder mit Swarovski-Kristallen besetzt sein soll. Ob Zentralfriedhof oder einsamer Hügel.

Es ist die berühmte Käßmann-Art, wie die Theologin im Trauermonat November in die Öffentlichkeit tritt: Sie predigt nicht hinter geschlossenen Kirchentüren, sondern prämiert die besten 30 Trauerprodukte auf dem Markt. Warum entstehen dabei Zweifel, ob die Schirmherrschaft für den "Bestattungen.de-Award 2011" der lebensnahen Kirchenfrau gut steht?

Wenn Heidi Klum für einen Burger wirbt, nimmt daran niemand Anstoß. Wenn allerdings die Theologin Käßmann eine Urne mit der Bestnote auszeichnet und damit für die Produkte eines Bestatterunternehmens wirbt, muss sie sich unbequeme Nachfragen gefallen lassen.

Käßmann will die Deutschen, die das Thema Tod ausblenden, damit konfrontieren und schießt übers Ziel hinaus. Es zeichnet keinen Sarg aus, ob Käßmann ihn gut findet. Der Versuch, ihre Aufgabe als Theologin zu erfüllen, scheitert an ihrer plakativen Art. Sie trifft nicht den richtigen Ton.

Käßmanns Engagement berührt ein Grundproblem der Kirchen: Wie weltlich darf ich sein, und ab wann verliere ich meine Authentizität? Mit einer Predigt hätte Käßmann es nicht auf die erste Seite der Welt geschafft - als Urnen-Königin erntet sie aber dort Polemik. Statt über die Art, wie wir bestattet werden wollen, zu reden, tratschen wir über Käßmann.

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5 Kommentare

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  • H
    hto

    Als Mensch anfing seine Toten zu bestatten, wurde Mensch zum Mensch - als Mensch aber anfing auch daraus ein Geschäft zu machen, war alles für den Arsch, bzw. war der geistige Stillstand seit der "Vertreibung aus dem Paradies" vollends MANIFESTIERT, in konfusionierender Überproduktion von systematisch-systemrationalem / zeitgeistlich-reformistischem KOMMUNIKATIONSMÜLL.

  • A
    anke

    Wer ist "wir", Herr Angermeier? Und wieso lassen Sie sich von einer evangelischen Bischöfin zu etwas zwingen, was Sie eigentlich gar nicht tun wollen?

     

    Geben Sie es zu: Sie lieben es einfach, Menschen Zeugnisse auszustellen. Darüber zum Beispiel, ob ihnen etwas steht oder nicht. Wer diese Menschen sind, ist Ihnen vollkommen egal. Das heißt: ganz egal ist es Ihnen dann doch nicht. Wenn Sie meinen, dass Mensch besonders bekannt ist, macht Ihnen das Zeugnisausstellen gleich doppelt Spaß.

     

    Nein, es zeichnet keinen Burger aus, wenn er Heidi Klum schmeckt. Zumal dann nicht, wenn man annehmen muss, dass Heidi Klum für Geld jedem alles erzählt. Und Sie haben Recht: Es zeichnet auch keinen Sarg aus, ob Margot Käßmann ihn gut findet. Es zeichnet allerdings auch keine Bischöfin aus, wenn Benedikt (!) Angermeier mit ihr (un-)zufrieden ist. Das weiß nur leider nicht jeder.

     

    Was Sie da treiben, sehr geehrter Herr Journalist, ist Amtsanmaßung. Sie wären gern ein Oberlehrer geworden und müssen statt dessen die Vierte Macht vertreten. Schlimm, solche Unfreiheit! Religion ist (im Gegensatz zur Berufswahl) Privatsache, will mir scheinen. Zumindest in einem Staat, dessen erklärte Herrscher sich (noch) nicht (wieder) offiziell mit dem Ehrentitel "von Gottes Gnaden" schmücken. Wer also glaubt, er müsste sich von der Bischöfin seines Vertrauens zu einem Sarg seiner Wahl raten lassen, der soll das tun. Ein Journalismus aber, der ernst genommen werden will, sollte sich hüten, den Glauben da, wo er sich lediglich um seine "Kernkompetenzen" kümmert, zur Machtfrage zu erheben.

  • WB
    Wolfgang Banse

    Margot Käßmann bringt sich ins Gesräch

    Die ehemalige Landesbischöfin der Evangelisch-lutherischen Landeskirceh Hannover und EKD Ratsvorsitzende Dr.Margot Käßmann setzt sich für eine Besattungskultur ein,die nicht überakk auf offene Ohren stößt.Eine gewisse Pietät sollte erkennbar und erfahrbar bleiben.Nicht alles wasmachbar ist,sollte auch erlaubt werden was die Bestattungskultur betrifft.

  • H
    heidi

    Vielen Dank für die Info! Denn gäbe es die Presse nicht, wäre ich gar nicht über "so was" unterrichtet.

    Was ist denn jetzt anstössig an Frau Käßmanns Maßnahme - wodurch sie nur (positiv vorausgesetzt sie wird nicht dafür bezahlt) ihre Meinung kund tut, dass wir in good old germany gar keine Bestattungskultur haben und sie es gut fände, wenn sich das ändert - kund tut- wozu sie wohl das Recht hat. Was also ist daran aufregend und anstössig, dass sie darüber berichten müssten?

    Kaum einer unterhält sich gerne über das eigene Sterben und ich bin der Meinung, dass es letztlich egal ist, wie oder wo man liegt (oder eben nicht liegt) - weil man eben tot ist.

    Andererseits drückt so eine (liebevolle) Bestattung auch die Ehre und die Liebe aus, die man einem gewesenen Menschen zukommen lässt.

    Insofern ist Frau Käßmanns Meinung völlig ok.

    Viel viel viel schlimmer, nein, überhaupt schlimm, denn was Frau Käßmann sagt ist einfach nur Meinung und gar nicht schlimm, finde ich Körperwelten! Das ist einfach nur entwürdigend! Und wenn man Schädel oder andere Knochenteile als Briefbeschwerer verwendet oder ähnliches ...

    Darüber könnten sie sich aufregen!

  • P
    paul

    Und wo bleibt die Fotostrecke mit den Särgen??ßß?