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■ StandbildTragödienstadel

„Jede Menge Leben“: Wochenhöhepunkte der Serie, Samstag, 0.50 Uhr, ZDF

Offensichtlich haben die Mainzer ihr Sponsorenpotential noch nicht ganz ausgeschöpft. Vergebens wartet man auf den werbewirksamen Hinweis: „Diese Nearly-Daily-Soap wurde Ihnen präsentiert von Bravo, Deutschlands größter Jugendzeitschrift“. Denn soviel steht mal fest – mit Abo wär' das nicht passiert: Nicole liebt John, der jedoch ist sexuell desorientiert und weist die Verehrerin zurück. Darob untröstlich, greift sie umgehend zur Überdosis, aber glücklicherweise ist ja in derlei Serien stets ein Weißrock bei der Hand. Johns Mitbewohner Julian hingegen zieht heim zu Muttern, weil's ihm nach besagtem Coming-out in der gemeinsamen Bude denn doch zu warm wird.

Gleich gibt's wieder Ärger mit dem altklugen Bruder, der zwar noch aufs Gymnasium geht, aber damit nicht ausgelastet ist und ergo schon mal begonnen hat, Kinder in die Welt zu setzen. Dr. Sommer, wo waren Sie, als man Sie brauchte? Und warum trug der Krankenwagen die undeutsche Aufschrift „Ambulance“? Jeden Samstag zur späten Nacht serviert das ZDF, als gäb's sonst nix zu senden, „The Best of ,Jede Menge Leben‘“.

Zäh aber dehnt sich das Jammerspiel, bleiern schleppt sich dieser Tragödienstadl über die Runden – wie tranig muß da erst die Langfassung sein. Selbst die Darsteller haben scheint's Anweisung, auf Zeit zu spielen – zunächst wird mit prätentiösem Gehabe ein Gesicht aufgesetzt, erst dann folgt nach geziemender Kunstpause der dazugehörige Dialogsatz, im Regelfall gestelztes Gefasel mit unverkennbar pädagogischem Impetus.

Da nimmt es kaum Wunder, daß die Jugend, so sie nicht gerade zagt oder zeugt, die harmtreibenden Leidwesen meidet und anderen Kanälen den Vorzug gibt. Es könnte was dran sein an dem, was interessierte Laien vorbringen: daß die Wiederholung alter „Percy Stuart“-Folgen quotenmäßig ertragreicher sein dürfte als dieses mitleiderregende Gewürge. Harald Keller

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