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■ Tragödie um „Rückführung“ bosnischer KriegsflüchtlingeDoppelt falsches Spiel

Ein Innensenator fühlt sich getäuscht, ein Bundesinnenminister weiß nicht, warum, und die Ministerkollegen in den Ländern haben keine Ahnung von nichts – das Ganze ist eine skandalös-blamable Geschichte und nennt sich „Rückführung der Kriegsflüchtlinge nach Bosnien-Herzegowina“. Seit Januar beraten die Innenminister darüber, wie sie die zu unerwünschten Personen erklärten Gäste am schnellsten loswerden können. Doch mehr und mehr wird dieses Vorhaben zum zweifachen Desaster: zur menschlichen Tragödie für einige tausend Betroffene und zum innenpolitischen Trauerspiel.

Die Tinte unter dem Dayton-Abkommen war kaum trocken, da hatten die Innenminister den Flüchtlingen schon einen ersten Rückkehrtermin verordnet. 1.Juni hieß der Stichtag. Die übereilte Hektik rächte sich: Wochen später mußte man eingestehen, daß die Verhältnisse in Bosnien-Herzegowina nicht so sind, wie deutsche Politiker sie gerne hätten. Der Stichtag wurde auf den 1.Oktober verschoben.

Jetzt stellt sich heraus, daß auch dieser Termin nur Makulatur ist. Wieder hat man sich nicht ausreichend sachkundig gemacht, hat ignoriert, daß ein Rückübernahmeabkommen mit Bosnien noch nicht unter Dach und Fach ist, hat vor lauter populistischem Aktionismus deutsches Wollen mit bosnischer Realität verwechselt. Nun schmollt Berlins Innensenator Schönbohm, daß alles nicht so rasch geht wie geplant – hätte er beizeiten auf die mahnenden Experten gehört, die Empörung wäre ihm erspart geblieben.

Statt endlich einzugestehen, daß sich auch die mittelbaren Folgen des jahrelangen Krieges auf dem Balkan nicht im Ruckzuckverfahren lösen lassen, schiebt man jetzt den Schwarzen Peter hin und her. Berlin beschuldigt Bonn: So haben wir nicht gewettet, als wir uns den Stichtag 1.Oktober in die Hand versprachen, Bonn zeigt mit dem Finger nach Sarajevo, wo man das Rückübernahmeabkommen nicht so zügig wie gewünscht absegnen will. Und tatsächlich: ähnlich wie die deutsche Innenpolitik macht auch die Regierung Bosnien-Herzegowinas die Flüchtlinge zum Spielball. Nach außen hin drängt sie, die bosnischen Landsleute müßten so rasch wie möglich heimkehren, um den Aufbau der Heimat zu unterstützen, intern jedoch ist man zur Aufnahme der Rückkehrer gar nicht bereit. Im Gegenteil, jeder Flüchtling bedeutet einen Esser mehr am Tisch, auf dem nur ein paar Krümel liegen. Vera Gaserow

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