: Traffic and the City
Die Stadt ist leer. Auch am zweiten Tag mit Mautpflicht ist die Situation in London entspannt. Wer verursachte nun die 30 Prozent Verkehr, die plötzlich weg sind?
Tag zwei nach Einführung der Citymaut in London war ein schöner, sonniger Tag. Ein Tag, der trotz der kalten Temperatur um den Gefrierpunkt zum Spazierengehen einlud. Zumal es in den Straßen wirklich ruhig zuging. Die 7,50 Euro, die man bezahlt, um im Auto in die Innenstadt zu fahren, zeigen Wirkung.
Doch. Es gibt noch Verkehr in der Innenstadt. Kein Grund zur Panik. Jede Menge Busse, noch mehr Taxis und die Lieferwagen der Handwerker und Dienstleister sausen durch die Straßen, dazu ein paar Privatwagen und viele Motorräder. Aber das Bild hält keinem Vergleich stand zu dem, was man dort sonst sah.
Kritiker hatten befürchtet, dass die Autofahrer in Busse und U-Bahnen umsteigen würden. Doch bei eigenem Augenschein hat sich das nicht bewahrheitet. Keine Schlangen nirgends, und das obwohl die Circle Line, die den größten Teil des Mautgebiets zwischen der Victoria Station im Westen, King’s Cross im Norden sowie Tower Bridge und dem Elephant and Castle im Osten bedient, wegen einer zuletzt entgleisten U-Bahn auf unbestimmte Zeit geschlossen ist.
Die Schlussfolgerung kann nur sein, dass eine Menge Leute zum puren Zeitvertreib in die Stadt fahren. Ein kleines Geschäft hier erledigen und ein anderes dort. Das macht dann schon die 30 Prozent aus, um die der Verkehr zurückging.
Zu Fuß zu gehen ist übrigens durchaus eine Alternative in der Londoner Innenstadt, die metropolengemäß gar nicht so groß ist. Mit dem Auto hätte man sogar bis zum Design Museum fahren können, wo derzeit Schuhe ausgestellt sind, die so wunderschön ausschauen, dass man unbedingt den Wunsch verspürt, sie bei einem Spaziergang zur Schau zu stellen. Es sind teure Schuhe, und in anderen Städten wie New York, wo die Leute es schon längst aufgegeben haben, mit dem Auto zu fahren, gibt es deshalb auch ein neues Delikt. Jedenfalls wenn man „Sex and the City“ glauben darf: statt Autodiebstahl Schuhraub.
Genauer den Monolo-Blahnik-Schuhraub. So ganz überzeugt bin ich aber nicht, denn nach eigener Erfahrung braucht man, um Monolo Blahniks auszuführen, unbedingt ein Auto. Es fährt einen ganz nahe an den Ort, an dem man sie zeigen will. Denn mehr als eine halbe Vernissage-Stunde in einer kleinen Galerie hält man in ihnen nicht aus. Aber 30 Prozent am Verkehrsaufkommen können von ihnen doch nicht stammen, oder doch?
BRIGITTE WERNEBURG