: Tränengas und Notgroschen
Ein Jahr nach ihren letzten massiven Protesten sind Frankreichs Fischer wieder auf der Straße: Subventionen verbessern ihre Lage nicht ■ Aus der Bretagne Dorothea Hahn
Als Tropfen im Atlantik empfanden die französischen Meeresfischer das Hilfspaket, das die Regierung in Paris gerade noch rechtzeitig vor dem Besuch des Regierungschefs zugesagt hatte. Mit 300 Millionen Franc (knapp 90 Millionen Mark) könne man rein gar nichts ausrichten, war gestern die einhellige Meinung in der am stärksten von der Fischkrise betroffenen Bretagne.
Wütende Fischer bereiteten dem konservativen Premierminister Edouard Balladur gestern bei seinem ersten offiziellen Besuch in Rennes einen heißen Empfang. Balladur, der angereist war, um einen Wirtschaftsplan für die Region zu unterzeichnen, war in Tränengaswolken eingehüllt, als er vor die Presse trat; im Hintergrund waren Detonationen zu hören.
Offenbar waren die polizeilichen Vorbereitungen genauso unzureichend gewesen wie die Finanzspritze. Bereits in der Vornacht waren in der bretonischen Hauptstadt 2.000 Polizisten eingetroffen. Morgens begegnete ihnen ungefähr die doppelte Menge DemonstrantInnen – Fischer und ihre Frauen von der gesamten französischen Atlantikküste. Binnen Stunden kam es zu Straßenschlachten. Mit Eisenstangen und Brand- Cocktails gingen maskierte Fischer auf die Uniformierten los, die ihrerseits wieder großzügig vom Knüppel Gebrauch machten. Bis zum Mittag gab es mindestens zehn Verletzte in Rennes.
Die Protestaktionen hatten bereits am Montag begonnen – exakt ein Jahr nach den letzten militanten Fischeraktionen in Frankreich. Auch damals – zwei Monate später sollten die Parlamentswahlen stattfinden – hatte die sozialistische Regierung in Windeseile ein Finanzpaket geschnürt: Genau wie jetzt Balladur kündigte sie Subventionen für Familien in prekären Lagen und Hilfen zur Schuldenzahlung an und vereinbarte in Brüssel Mindestpreise für sechs Fischsorten. Die Maßnahmen reichten hinten und vorne nicht. In diesem Jahr ist die Not der Meeresfischer sogar noch größer geworden. Waren es damals nur die hohen Preise des französischen Fischs im Vergleich zu allen Importfischen, so kommt in diesem Winter noch ein konjunktureller Nachteil hinzu: Seit Beginn der Hauptsaison im vergangenen November konnten die Meeresfischer an zahlreichen Tagen wegen schlechten Wetters nicht ausfahren.
Die schwere Krise des französischen Fischfangs begann jedoch schon 1989, als sowohl Spanien als auch Großbritannien ihre Währung abwerteten. Der zuvor reichlich nach Spanien gelieferte französische Fisch war dadurch über Nacht teuer geworden, und der vormals teure britische Fisch lag plötzlich niedriger als die einheimische Ware. Die französischen Fischer saßen zudem auf den Schulden für ihre Mitte der 80er Jahre mondernisierte Flotte. Erschwerend kommt noch hinzu, daß der durchschnittliche Frischfischkonsum der Franzosen in den letzten acht Jahren um zwölf Prozent gesunken ist. Und seit langem beklagen Warenhausketten des veraltete Vermarktungssystem der heimischen Fischerei. Sie werden von den Importeuren schneller beliefert.
„Uns fehlen 3 bis 4 Franc zum Kilopreis auf dem Großmarkt, um überhaupt konkurrieren zu können“, entgegnen die französischen Fischer. Doch den VerbraucherInnen fällt es bei aller Solidarität schwer, einzusehen, daß die sehr viel billigere englische Scholle schlechter sein soll als die französische. Zumal, wenn sie an exakt derselben Stelle gefischt wurde.
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