Toxikologe über Gift im Obst: "Pestizide kann man nicht ganz abwaschen"
Der Kieler Toxikologe Hermann Kruse fordert, dass Gemüsehändler belastetes Obst und Gemüse zurückgeben.
taz: Herr Kruse, wie halte ich mein Essen giftfrei?
Hermann Kruse: Grundsätzlich gilt: Je weniger Pestizide eingesetzt werden, umso weniger Rückstände. Mit anderen Worten: Biologisch angebaute Lebensmittel sind klar im Vorteil gegenüber konventionellen. Allerdings gibt es auch konventionelles Obst und Gemüse, das für den Konsumenten wenig bedenklich ist.
Aber wie findet man das als Konsument heraus?
Da sind wir beim Thema Überwachung und Kontrolle - und da liegt vieles im Argen. Denn es werden viel zu wenig Kontrollen durchgeführt. In zwei bis drei Prozent der kontrollierten Lebensmittel wird der erlaubte Höchstwert an Pestizidrückständen überschritten. Außerdem sollten Unternehmen Obst- und Gemüsechargen kontrollieren lassen und im Fall des Falles zurückschicken. Denn Höchstmengen sind wie Höchstgeschwindigkeiten: Die müssen eingehalten werden.
Aber sind denn die Höchstmengen der Rückstände wirklich unbedenklich?
Die sind meiner Auffassung nach eindeutig zu hoch, denn mit Höchstmengen ist nicht hundertprozentig gesichert, dass man durch die Rückstände in Lebensmitteln nicht zu Schaden kommen kann. Sie allein führen nicht zu Erkrankungen, aber für Allergiker können sie beispielsweise das allergische Risiko erhöhen oder bei sensiblen Menschen das Immunsystem beeinträchtigen.
Bauern- und Industrieverbände warnen vor der geplanten EU-Pestizidrichtlinie. Sie sagen, dass viele Schädlinge und Krankheiten nicht mehr behandelt werden können.
Das ist das K.-o.-Argument. Aber ich gehe mit der Agrochemie hier in gewisserweise konform, denn ich will beispielsweise auch keinen Schimmelpilz im Essen. Und wenn es keine andere Methoden gibt, dann muss eben gespritzt werden. Nur sollten zuallererst alle anderen Methoden ausgeschöpft werden: Viel kann gemacht werden durch richtige Kühlung und Lagerung von Obst und Gemüse.
Dann hilft also nur, das Obst zu waschen?
Pestizide, die in die Pflanze hineinwachsen, sind ausgesprochen schwer zu entfernen - im Unterschied zu Spritzmitteln, die Obst und Gemüse anhaften. Die kann man, wenn auch nicht restlos, abwaschen.
INTERVIEW: CHRISTINE ZEINER
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