Tourismus: Nur Fliegen ist schöner - und teurer
Teure Kerosinpreise und klamme Haushaltskassen sorgen dafür, dass das Geschäft mit dem Tourismus in Berlin langsamer wächst. Selbst der künftige Tourismuschef Berlins glaubt nicht mehr an zweistellige Wachstumsraten.
Viele Wachstumsbranchen hatte Berlin in den vergangenen Jahren nicht zu bieten. Aber immerhin ein Bereich boomte: der Tourismus. MoMa, Fußball-WM und nicht zuletzt Eisbär Knut sorgten Jahr für Jahr für zweistellige Zuwachsraten. Nun gibt es erstmals einen Dämpfer. Im ersten Halbjahr 2008 schliefen 3,68 Millionen Gäste in den rund 95.000 Hotelbetten; das waren nur noch 2,4 Prozent mehr als im ersten Halbjahr des Vorjahrs. Und auch der Flugverkehr von und nach Berlin wächst nicht mehr so rasant. Bedeutet das Ende der Billigfliegerei auch das Ende des Berliner Tourismusbooms?
Deutschen Touristen sei Berlin bereits seit einiger Zeit nicht mehr so sehr "eine Reise wert", sagte Berlins oberster Tourismuswerber Hanns Peter Nerger. Die leichten Plus-Zahlen seien durchweg den internationalen Berlin-Besuchern zu verdanken. Doch nun seien auch die Billigflieger nicht mehr so voll besetzt wie sonst.
Und tatsächlich: Wegen der hohen Kerosinkosten rechnet der Bundesverband der Deutschen Fluggesellschaften mit einem Nachfragerückgang von fünf bis sieben Prozent. Bis zu 20 Prozent dürften die Durchschnittspreise steigen. Flughafen-Chef Rainer Schwarz betonte zwar, dass die Berliner Flughäfen noch immer "deutlich schneller als der Durchschnitt aller deutschen Flughäfen" wachsen würden. Aber auch er rechnet "mit einem abgeschwächten Wachstum" für das zweite Halbjahr.
Bei immer mehr Reisenden hat sich herumgesprochen, dass die Zeit der massenweisen Billigfliegerei zu Ende geht. Während eine Fluggesellschaft für die Tankfüllung einer Boeing 737, die von Berlin nach Las Palmas fliegt, vor drei Jahren noch etwa 5.000 Euro zahlen musste, sind es nun 12.000 Euro. Air-Berlin-Sprecher Nikolaus Nowak versicherte, dass es auch in Zukunft günstige Flüge geben wird - fügte aber gleich im nächsten Satz hinzu: Die Annahme, dass beim Fliegen insgesamt wieder das Preisniveau von vor einem Jahr erreicht wird, sei "illusionär".
Nerger will dennoch nicht in Trübsal versinken. Die Attraktivität Berlins sei weiter ungebrochen, gab sich der bis Ende des Jahres amtierende Geschäftsführer der Berlin Tourismus Marketing GmbH optimistisch. Er führt die schwächere Entwicklung auf die insgesamt schwierigeren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zurück. Dank zahlreicher Kulturangebote rechnet er mit einem "starken Herbst", um im gesamten Jahr doch noch die vorhergesagten rund fünf Prozent Wachstum zu erreichen.
Zugleich weist er auf auf ein verändertes Touristenverhalten hin. Heutzutage seien die Gäste weitaus weniger berechenbar als früher. Viele Touristen würden sich spontan für eine Reise entscheiden, so Nerger - meist übers Internet. So habe es in diesem Jahr Monate mit einem Zuwachs von 10 Prozent gegeben, andere Monate endeten hingegen mit einem Minus.
"Berlin ist immer die Zweitreise"
Die Zeit der Billigfliegerei geht zu Ende und davon ist auch Berlins Tourismus betroffen. Aber nicht dauerhaft, versichert Burkhard Kieker, Noch-Marketing-Chef der Berliner Flughafengesellschaft und ab 2009 Berliner Tourismuschef
taz: Herr Kieker, jahrelang war der Berlin-Tourismus im Rekordrausch. Nun schwächelt er. Wie erklären Sie sich das?
Burkhard Kieker: In Berlin gibt es eine enge Korrelation zwischen Tourismus und Flugverkehr. Das Flugaufkommen ist in den vergangenen Jahren doppelt so schnell gewachsen wie die anderer europäischer Flughäfen. Das hat ganz klar mit dem Berlin-Hype zu tun und dem enorm erweiterten Angebot der Low-Cost-Airlines. Da sind wir alle sehr verwöhnt. Allerdings war immer klar: Niemand verbringt vier Wochen Sommerferien in einer Stadt. Berlin ist immer die Zweitreise. Wenn dann wie in den letzten Monaten Geld im Portemonnaie fehlt, weil die Spritpreise nach oben schießen, fällt das Berlin-Wochenende schon mal dem Rotstift zum Opfer.
Angesichts der hohen Kerosinpreise ist bereits vom Ende der Billigfliegerei die Rede. Muss sich die Berliner Tourismusbranche nun auf eine lange Durststrecke gefasst machen?
Das glaube ich nicht. Zunächst sind die Kerosinpreise wieder im freien Fall, weil die Spekulationsblase geplatzt ist. Zudem ist die Billigfliegerei ein nachhaltiges Geschäftsmodell. Wir werden auch in zehn Jahren günstige Flüge haben, weil Berlin als Magnetkraft immer ein gutes Geschäft bleiben wird.
Momentan kürzt aber Air Berlin zahlreiche Flüge und auch Easyjet will zum Herbst Linien streichen.
Easyjet nimmt Flüge zum Winter raus, weil sie das jedes Jahr macht. Air Berlin reduziert einzelne Flüge, hält aber die Zahl der Sitzplätze von und nach Berlin konstant, was wiederum für unsere Stadt spricht. Und Ryan Air hat die Berlinflüge zum Winter verdoppelt. Es wird eine Dramatik heraufbeschworen, die völlig überzogen ist.
Sie rechnen auch künftig mit zweistelligem Zuwachs?
Nein, aber nur weil erstmals seit Jahren dieses Wachstum einstellig ist, heißt das nicht, dass Tourismus und Flugverkehr dauerhaft schwächeln.
Was macht Sie da so sicher?
Berlin ist aufgrund seiner hohen Attraktivität in vielen Bereichen nicht so rezessionsgefährdet wie andere Städte. Wir haben eine breite Basis im Kulturbereich, sind als Kongress- und Messestadt attraktiv und haben ein interessantes Nachtleben - alles zu bezahlbaren Preisen. Das einzige, wovon wir uns verabschieden müssen, sind ständig zweistellige Wachstumsraten. Da ist mehr Realismus gefragt.
Für den Bau des neuen Großflughafens BBI sind Sie bisher aber von sehr hohen Wachstumsraten ausgegangen.
Wir sagen, dass BBI bei der Eröffnung zwischen 22 und 25 Millionen Fluggäste im Jahr haben wird. In diesem Erwartungshorizont liegen wir nach wie vor. Wie gut Berlin und Brandenburg aufgestellt sind, zeigt im Übrigen auch die neue China-Verbindung. Der Direktflug nach Peking ist der größte Erfolg für die Berliner Flugverbindungen seit langem und zeigt, wie attraktiv wir auch für die Chinesen sind.
Das Interesse der Airlines an Langstreckenflügen bleibt bislang aber eher gering.
Dafür, dass wir Drehkreuzstrukturen in Berlin erst mit dem BBI aufbauen können, ist unser Langstreckennetz im Vergleich zu Hamburg oder Stuttgart hervorragend. Die US-Airlines reduzieren wie immer zum Winter, aber weniger als im vergangenen Jahr. Seit vier Jahren fliegen beide Fluggesellschaften außerordentlich erfolgreich. Was in diesem Zusammenhang auch interessant ist: Wegen des schlechten Wechselkurses streicht der US-Amerikaner schon mal seine Europareise. An der Berlin-Reise hält er aber fest. INTERVIEW: FELIX LEE
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