: Tour d'Europe
■ Berlin-Brüssel-Bonn
„Arbeitslos und glücklich“ wollte sie sein, äußerte mal eine Freundin als Lebensperspektive. Ob all die anderen Frauen, die vom Glücklichsein die Nase voll haben und verzweifelt einen Arbeitsplatz suchen, die Stecknadel „Arbeitsplatzförderung“ im Heuhaufen der Bürokratie finden, darf bezweifelt werden.
Fährt frau nach Brüssel, erfährt sie dort zum Beispiel, daß es einen Europäischen Sozialfonds — sechs Prozent des gesamten EG-Haushaltes — gibt und daß 1987 ganze acht Prozent der Mittel des Sozialfonds in Frauenprojekte flossen. Ferner erfährt sie, daß innerhalb dieses Sozialfonds die EG-Kommission „angesichts der hohen Erwerbslosenquote von Frauen am 18.7.90 eine neue Initiative zur beruflichen Integration unter dem Motto NOW gestartet hat“. 120 Mio Ecu (das sind schlappe 240 Millionen DM — europaweit) soll es geben „zur Förderung der Gründung von kleinen Unternehmen und Genossenschaften durch Frauen“; für „Berufsausbildungsmaßnahmen“ und „Hilfen zur Gründung selbständiger Existenzen“. Die Projekte müssen Modellcharakter haben und PartnerInnen-Projekte in — vorzugsweise — Portugal, Irland, Griechenland und bestimmten Regionen anderer EG- Länder — haben.
So weit, so schön. Leider erfährt frau nun von SPD-Europarlamentarierinnen, daß aus der Bundesrepublik bis zum Ende der Frist (29.6.91) wohl keine Anträge kommen werden, weil es dort keine allgemein bekannte Anlaufstelle für Anträge gegeben habe. „Hier in der BRD wurde das erste Aktionsprogramm wie Geheimpapier behandelt...“, hatte die SPD-Parlamentarierin Barbara Schmidbauer schon 1987 geklagt. Wieso sollte also die Information über NOW im Rahmen des dritten Aktionsprogramms besser laufen?
Frau ruft beim „Arbeitskreis selbstverwalteter Frauenprojekte“ in Berlin an, fragt nach NOW. Das Programm ist bekannt, es wird die Nummer des Berliner Euro-Infobüros gereicht, wo frau erfährt, daß in Berlin einige Informationsveranstaltungen stattgefunden haben, um bereits existierende Vereine und Gruppen — denn nur solche werden gefördert — zu informieren. Frau erfährt auch, daß eine Koordinationsstelle des Europäischen Sozialfonds bei der Senatsverwaltung für Arbeit und Frauen in Berlin angesiedelt ist, ferner die einzelnen Projekte ihre Anträge an die fachlich zuständigen Senatsverwaltungen zu schicken haben. Ebenfalls erfährt frau, daß es — tatsächlich — beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung in Bonn eine solche Koordinationsstelle gibt. Dort nun erklärt man(n) der Interessentin, man(n) habe aus den Bundesländern mit 150 Projektanträgen „mehr Anträge, als das Finanzvolumen“ umfasse. Das den Deutschen zustehende Finanzvolumen beläuft sich einschließlich der nationalen Mittel für drei Jahre auf insgesamt cirka 34 Millionen DM. Man(n) habe auch mitnichten die Informationen hinter dem Berg gehalten, sondern über die „normalen Kanäle“ Länder und Verbände vom EG-Förderprogramm informiert. Die Bundesregierung werde also durchaus Ende Juni die „Vorlage der operationellen Programme und Beantragung von Globalzuschüssen“ in Brüssel vornehmen. Unabhängig davon sei es mindestens bis Ende des Jahres noch möglich, einzelne Förderanträge zu stellen. bel
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