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■ Tour d'EuropeKonkurrenzkampf

Die Zusammenarbeit unter den Regionen blüht. In Basel tagt die Versammlung der Regionen Europas, in Brüssel debattiert der Regionalausschuß bei der EU, in Straßburg diskutiert die Regionalkammer des Europarats. Die Bundesländer, Kantone und Provinzen profilieren sich als Zwischendeck der europäischen Integration, treten gemeinsam als Lobby auf. Aber hinter den Solidaritätsbezeugungen tobt ein erbitterter Konkurrenzkampf: Die Regionen stehen im direkten Wettbewerb um Wirtschaftsstandorte und knapper werdende Fördermittel.

Aber auch Ethnoregionalismus und politisch-kulturelle Gegensätze erschweren die Zusammenarbeit. Flamen und Wallonen, Korsen und Festlandfranzosen sind Beispiele. Der Prozeß der wirtschaftlichen Integration und politischen Vergemeinschaftung hat den Wettbewerb der Regionen nicht entspannt. Im Gegenteil. Erleichterte Mobilität und erhöhter Konkurrenzdruck im Binnenmarkt verschärfen die Gegensätze.

Trotz Kohäsionspolitik hat sich die Schere zwischen den ärmsten und reichsten Gegenden Europas weiter geöffnet. Nordrhein-Westfalen oder die Lombardei zählen zu den Gewinnern, das Alentejo in Portugal oder Thrakien in Griechenland zu den Verlierern der Liberalisierung. Unter Berufung auf Subsidiarität verschanzen sich die reichen Regionen hinter ihren Besitzständen und verweigern den regionalen Ausgleich. Bayern und Flandern, Groningen und Vorarlberg propagieren eine budgetschonende Politik der Autonomie und Eigenverantwortlichkeit. Süditalien und die Estremadura sollen ihre Probleme selbst lösen.

In Anbetracht hoher Arbeitslosigkeit versuchen einzelne benachteiligte Gebiete mittels sozialem Dumping und ökologischem Ausverkauf Investoren abzuwerben. Standortvorteil heißt die Devise. Trotz schöner Deklarationen etwa stehen die Nordwestschweiz, das Elsaß und Südbaden in einem scharfen Konkurrenzkampf. Da die Sozialstandards, der Umweltschutz oder die Gentechnologie in Basel, Freiburg und Straßburg unterschiedlich geregelt sind, wird ein Standortwechsel für die chemische Industrie attraktiv. Die Firmenchefs drohen mit Auslagerung von Arbeitsplätzen, nutzen das soziale und ökologische Gefälle, um harte Bleibeverhandlungen zu führen und lokale Standards zu drücken.

Gefragt ist die konkrete Zusammenarbeit, wenn es um die Vertretung gemeinsamer Interessen gegenüber den Nationalstaaten und den europäischen Institutionen geht. Beispiele sind die Zukunft der Strukturfonds, die Umweltschutzprogramme oder die Finanzierung der Infrastrukturprojekte. In der mittelfristigen Budgetplanung der EU drohen diesen Bereichen teilweise massive Kürzungen. Doch die Regionen sind zerstritten; dänische Kommunalpolitiker und Vertreter deutscher Bundesländer können sich auf keinen gemeinsamen Standpunkt einigen.Stephan Kux

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