piwik no script img

Totgeborene

■ Wenn Kinder vor der Geburt sterben

Etwa 30-40 Prozent aller Schwangerschaften enden mit dem Tod des Kindes. Meist ist die Todesursache völlig unklar. Es werden dann „lächelnde Babys geboren“, die sich allen Anschein nach bis zu ihrem Tod ganz normal und gesund entwickelten, wie es die Landesfrauenbeauftragte Ulrike Hauffe ausdrückt, die selber als Psychologin am Krankenhaus Bremen-Nord Eltern betreut hat.

Bis in die Achziger war es üblich, die toten Kinder nach ihrer Geburt vor den Eltern zu verstecken und sofort zu „entsorgen“. Die Trauer der Eltern wurde dabei meist nicht ernst genommen. Sie hatten keine Möglichkeit, sich von dem Kind zu verabschieden. Sabine Weissinger-Tholen hat vor zehn Jahren selbst ein Kind verloren. Es war behindert geboren und sofort in die Kinderklinik gebracht worden. Erst nach der Geburt zweier gesunder Kinder konnte sie um das gestorbene trauern. Inzwischen bietet die Sozialpädagogin, die sich zur Trauerbegleiterin weitergebildet hat, beim Bildungswerk Evangelischer Kirchen Kurse an. In Hamburg und München gibt es Beratungsstellen für verwaiste Eltern. Bremen plant so etwas auch, unklar ist aber noch die Trägerschaft.

In Bremen begann die Diskussion um Totgeborene Mitte der Achtziger. Das Sozialressort unter Brückner forderte, das Personenstandsgesetz zu ändern. Dieses Gesetz legt fest, ab wann Eltern ihrem totgeborenen Kind einen Namen geben können und es in das Familienstammbuch eintragen lassen können. Damals noch war ein Gewicht von 1000 Gramm Voraussetzung. Diese Grenze ist 1994 auf 500 Gramm herabgesetzt worden. Bis 500 Gramm spricht man von einer Fehlgeburt, dann von einer Totgeburt. Doch unabhängig vom Gewicht des Kindes können Eltern es mittlerweile beerdigen lassen.

Viele Eltern reagieren panisch, wenn das Kind noch im Mutterleib stirbt. Das Kind könnte die Mutter vergiften, befürchten sie.Das aber ist nicht der Fall. Wenn die Eltern die Geburt abwarten und nicht einen Abort einleiten, haben sie die Chance, aktiv von dem Kind Abschied zu nehmen. Meist kommt es ohnehin bald nach dem Tod zu Wehen. Den toten Säugling in den Armen zu halten, bewahre die Eltern außerdem davor, Monsterfantasien von ihrem Kind zu entwickeln, sagt Hauffe. Finja Kütz

Betoffene können sich wenden an Sabine Weissinger-Tholen, Tel.0421-213501/ in Oldenburg an Frau Aposto, tel:0441/506253), die dort eine Selbsthilfegruppe aufbauen möchte/ An die Initiative Regenbogen „Glücklose Schwangerschaft e.V.“, Burgstr.6, 73614 Schorndorf, die bundesweit Selbsthilfegruppen unterstützt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen