piwik no script img

Totale OffensiveAngriffslustige Hamburger Jungs

HSV-Trainer Armin Veh hat offenbar seinen Stil gefunden: Er lässt mit bis zu vier Mann angreifen, wobei einige von ihnen noch als Jungen durchgehen. Beim 4:2 gegen Stuttgart hat das sehr gut geklappt.

Auf sie mit Gebrüll: Die neue HSV-Taktik trägt Früchte. Bild: dpa

Was macht man als Trainer, wenn alle linken Außenverteidiger verletzt sind und dazu noch ein Innenverteidiger? Wenn der einzige halbwegs gesunde rechte Außenverteidiger in die Innenverteidigung rücken muss? Was macht man als Trainer, wenn man weiß, dass auch der Gegner in der Abwehr wackelt? Angreifen. Wenn es gut geht, gewinnt man 4:2.

Armin Veh, der Trainer des Hamburger SV, stellte gegen den VfB Stuttgart eine der offensivsten Formationen der vergangenen zehn Jahre auf den Rasen des Volksparkstadions. Drei Angreifer: Mladen Petric, Jonathan Pitroipa, und Tunay Torun, 20 Jahre alt, der Veh nach einem Kreuzbandriss durch gute Trainingsleistungen überzeugt hatte. Phasenweise kam noch Heung Min Son, 18 Jahre alt, dazu. Angst hat Veh nicht.

Die Taktik ging auf. Der VfB Stuttgart, vor dem Spiel noch angeschlagener als der HSV, und auch nach diesem Spieltag in unmittelbarer Abstiegsgefahr, geriet von einer Verlegenheit in die nächste. Mit dem ersten Tor ging es ratzfatz: In der dritten Minute landete eine HSV-Ecke bei Torun, der legte für Piotr Trochowski auf, der den Ball von der Strafraumgrenze ins rechte Toreck knallte. Der VfB wankte und wackelte, die Innenverteidiger wirkten instabil, der HSV hatte Chancen, doch es fiel der Ausgleich. Nach einer Ecke traf Ciprian Marica mit dem Kopf (9.).

Eine Minute später hätte der VfB in Führung gehen können: Marica rannte auf Frank Rost zu, der nach Verletzungspause wieder im HSV-Tor stand, den Ball gerade noch zu fassen bekam. In der 16. Minute senste VfB-Innenverteidiger Georg Niedermeier im Mittelfeld vor den Augen des Unparteiischen von hinten Petric um. Wolfgang Stark gab Niedermeier Gelb, Marica "rennt 30 Meter über den Platz", erinnerte sich VfB-Trainer Jens Keller später an die Situation, "erster Fehler." Zweiter Fehler: Marica meckerte, nachhaltig. Der Schiedsrichterfrust des VfB, der sich nach nicht gegebenen Toren und falschen Elfmeterentscheidungen in den vergangenen Wochen angehäuft hatte, entlud sich über Stark. Der zeigte auch Marica Gelb. Dritter Fehler: Der schimpfte weiter und Stark hörte das Wort "Arschloch", Heiko Westermann, der daneben stand, hörte auch was und schaute Stark fragend an. "Ciprian sagt, er hat es nicht gesagt", sagte Keller hinterher. Aber da hatte Stark dem VfB-Stürmer längst Rot gezeigt.

"Spielst du 75 Minuten mit einem Mann weniger", seufzte Keller. Veh, der sich von den vier HSV-Toren nicht blenden ließ, hätte es gern gesehen, "wenn wir nun das Spiel noch breiter angelegt hätten". War schon ziemlich breit. Pitroipa, seit Wochen in einer Form, die dazu führt, dass die Fans seinen Namen auf die Melodie des Italo-Pop-Refrains "Volare" singen, machte nach knapp einer halben Stunde das 2:1. Torun bediente in der 36. Minute Petric, der Sven Ulreich im VfB-Kasten keine Chance ließ.

In der zweiten Halbzeit brachte Keller Stürmer Martin Harnik für Außenverteidiger Cristian Molinaro. Der VfB hatte nichts mehr zu verlieren und schaffte trotz Unterzahl durch Christian Gentner den Anschluss (46.). "Da fängt es im Kopf wieder an", sagte Veh, "fängt bei den Spielern wieder an, der Gedanke, dass du das auch verlieren kannst." Doch nach einer Stunde lupfte Petric den Ball über die VfB-Abwehr in den Lauf des für Son eingewechselten van Nistelrooy, der lupfte über Ulreich. Cool. "Danach war es entschieden", sagte Veh.

Der HSV ist keine von den Mannschaften, die einen angeschlagenen Gegner aus dem Stadion fegen, mit sechs, sieben Stück, was gegen den VfB möglich gewesen wäre. "Wir wollten als Mannschaft auftreten", sagte Torun, "das haben wir hinbekommen. Jeder ist für den anderen gelaufen." Er ist ein ehrgeiziger, junger, talentierter Spieler. Mit Pitroipa und Son sind das nun schon drei.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!