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Archiv-Artikel

Total daneben

betr.: „Intendant in der Schusslinie“, taz bremen vom 7. 12. 2007, „Radio Bremen – Ein Festakt“, taz bremen vom 24. 11. 2007 u. a.

Als ehemalige tazze freue ich mich jedes Mal, wenn sich mein ehemaliger Arbeitgeber über meinen aktuellen, Radio Bremen, auslässt. Mehr Bestätigung für die richtige biographische Entscheidung kann’s gar nicht geben! Ich jedenfalls bin sehr froh, die Sphäre des Kampagnenjournalismus hinter mir gelassen zu haben, der in der taz zur Redaktionsfolklore gehört: zwei, drei Informanten liefern Bröckchen, die taz pappt geschichts- wie selbstvergessen das Ganze mit einer klebrigen Mischung aus Vorurteilen, Häme zu einem ebenso rechercheschwachen wie meinungsstarken Klumpen zusammen – und fertig ist der Aufmacher.

Wenn das Ziel – in unserem Fall: Radio Bremen ist ein total zerstrittener Haufen, nichts klappt, das Programm ist ungenießbar etc. – die Melodie des Textes sowieso schon vorgibt, dann hat das mit Journalismus im engeren Sinne nichts zu tun. Die taz findet das „frech“. Fand ich auch mal. Mittlerweile finde ich’s nur noch doof.

Um das mal gleich zu klären: Jawoll, Radio Bremen hat mit dem Umzug einen ganzen Sack voller Probleme zu lösen. Was denn sonst? Nur mal so als kleine Gedächtnisstütze für erinnerungsschwache Reporter: Der Sender hat in der Folge politischer Entscheidungen, für die Radio Bremen selbst keine, aber auch gar keine Verantwortung trägt, knapp 40 Prozent seiner Einnahmen verloren. Und wir senden immer noch! Warum? Weil Radio Bremen dramatisch Personal abgebaut und die Arbeit für die verbliebenen Kolleginnen und Kollegen sehr verdichtet hat, weil wir Kooperationspartner für zwei Programme gefunden haben, weil es Programmreformen gab, die für Bremen Vier und Bremen Eins beispielsweise Quoten erbracht haben, von denen manch anderer Sender nur träumen kann, weil wir den Betrieb klüger organisiert haben, weil wir – jawohl! deshalb! – auf den Sendesaal verzichten. Kurzum: weil es auf allen Ebenen eine nachgerade irrwitzige Kraftanstrengung gegeben hat, um das Wichtigste zu erhalten und auszubauen. Das Programm. Wer diese Anstrengung, die nebenbei ein paar hundert Arbeitsplätze gerettet hat, für irrelevant hält, der möge sich bitte entsprechend äußern.

Dass ein solcher Weg nicht ohne Streit abgeht, dass dabei der Intendant im Feuer der Kritik steht, das ahnt selbst der Dümmste. Nur schreibt er’s nicht. Wenn Kollegen von Einzelbüros auf Teamflächen umziehen müssen, dann fällt der Jubel meist verhalten aus. Ach was! Wenn eine niegelnagelneue hoch komplexe Technik an den Start geht, dann gibt’s Abstürze und Pannen, dann können beispielsweise Perspektiven von trimedialer Arbeitsweise noch nicht realisiert werden. Das scheint den (taz-, Anm. d. Red.) Kollegen echt zu überraschen, wenn er von „unglaublichen Geschichten von technischen Pannen“ faselt. Was mich überrascht. Vielleicht kramt er mal in seinem Gedächtnis. Da gibt’s nämlich keinen Mangel an „unglaublichen Geschichten von technischen Pannen“ aus der Geschichte der taz. Über Ausgaben ohne Fotos, abreißende Texte, ganz und gar abgestürzte Produktionen.

Selbstredend kann man sich angesichts der schwierigen Lage, in der Radio Bremen befindet, über echte Hammerthemen wie Gottesdienste ereifern. Man kann sich auch instrumentalisieren lassen und bestehende Konflikte bei Radio Bremen verschärfen. Muss man aber nicht. JOCHEN GRABLER, Leiter der Radio Bremen Hörfunk-Redaktion Regionales, Politik, Wirtschaft