Torsten Frings über Spielertypen: "Ich bin kein Duckmäuser"
Der Mittelfeldspieler bei Werder Bremen, Torsten Frings, ist ein streitbarer Profi. Und er sagt, was er denkt. Jetzt will er sein drittes Pokalfinale gewinnen.
Am Samstag steht das DFB-Pokalfinale im Berliner Olympiastadion zwischen Bremen und dem FC Bayern an. Für Werder markiert es den Höhepunkt der Saison - und damit auch für Mittelfeldspieler Torsten Frings, denn Nationalspieler ist der 33-Jährige trotz einer guten Saisonleistung nicht mehr.
taz: Herr Frings, es heißt, dass Sie mit Bayern-Kapitän Mark van Bommel in Kontakt standen, nachdem Werder Bremen durch den Sieg auf Schalke die Münchner ja zum Meister gemacht hat. Gab es eine Reaktion?
Ja, ich habe mit Mark van Bommel einige SMS geschrieben; er wollte die Adresse wissen, wo der Champagner hin soll. Die habe ich ihm gegeben, aber ich warte immer noch darauf.
Ist der niederländische Vorkämpfer so eine Art Bruder im Geiste? Es gibt ja nicht mehr viele Typen dieser Art in der Liga.
Wir kennen uns einfach ewig. Dass wir ähnliche Spielertypen sind, ist wahrscheinlich eher Zufall. Das konnte man damals in der Jugend noch nicht erkennen, als wir recht oft bei Turnieren aufeinander trafen, weil er in Sittard, ich in Aachen gespielt habe - nur ich war damals noch Stürmer.
Mark van Bommel hat gesagt, Sie seien "der letzte Spieler unserer Sorte". Und er sagt, Sie seien kein Duckmäuser.
Da hat er Recht. Es gibt nicht mehr so viele Spieler, die eine klare Meinung haben. Diese Gattung stirbt langsam aus. Die meisten Profis sagen zu allem Ja und Amen. Wenn ich den Mund aufmache, dann tue ich es, damit wir Erfolg haben. Ich will mich damit nicht profilieren.
Wer ist denn der bessere aggressive Leader?
Ich will das gar nicht vergleichen. Es kommt in so einem Endspiel auch auf niemand Einzelnen an. Wir müssen als gesamte Mannschaft funktionieren. Das Team, das am meisten investiert, das am besten zusammenarbeitet, wird in Berlin gewinnen.
Aber bei den Bayern haben die wichtigen Spiele entweder Arjen Robben, Ivica Olic oder Thomas Müller entschieden, die jeweils mit ihren Toren schon herausragend waren …
… aber sie sind von anderen freigespielt worden oder andere haben die Arbeit für sie gemacht. Das wird oft vergessen. Auch Diego hat bei uns nur so glänzen können, weil die ganze Mannschaft für ihn mitgearbeitet habt.
Ist es ein Vorteil für Werder, dass die Bayern eine Woche später noch das Champions-League-Finale spielen müssen?
Nein. Wenn einer von denen jetzt abfällt, ist er vielleicht in Madrid schon raus aus der Mannschaft. Deshalb werden die Bayern richtig Gas geben. Der DFB-Pokal ist auch ein wichtiger Titel, die werden einen Teufel tun und sich da schonen. Wenn ich da noch spielen würde, würde ich Vollgas geben, um im Champions-League-Finale in der ersten Elf mit dabei zu sein.
Der in Würselen bei Aachen geborene Mittelfeldspieler begann seine Karriere bei Alemannia und spielte später für Werder Bremen, Borussia Dortmund und den FC Bayern. Der Vizeweltmeister von 2002 hat 79 Länderspiele absolviert und dabei 10 Tore geschossen. Die FAS nannte ihn einmal "den lauten Vorarbeiter". Aktuell spielt er wieder bei Werder Bremen.
Sie waren 2005 mit dem FC Bayern auch Pokalsieger in Berlin. War der Triumph 2009 mit Werder intensiver?
Das Double 2005 mit den Bayern war eines der tollsten Erlebnisse meiner Karriere, aber in München ist es fast schon normal. Deshalb bedeutet so etwas in Bremen noch mehr.
Warum war damals die Rückkehr zu Werder die richtige Entscheidung?
Weil ich mich bei Bayern nicht wohlgefühlt habe! Weil für mich persönlich der Wohlfühlfaktor höher einzuschätzen ist als Geld oder andere Dinge. Und das habe ich niemals bereut.
An welches Pokalfinale haben Sie die intensivsten Erinnerungen?
Ganz klar an 1999. Es war eine Saison mit Werder, in der fast alles schiefgelaufen war. Wir hatten mehrere Trainer. Dann kurz vor Saisonende erstmals unter Thomas Schaaf der legendäre 1:0-Sieg im Weserstadion gegen Schalke, der uns erst den Klassenerhalt gebracht hat. Und schließlich dann das Finale gegen den FC Bayern, der zuvor im Champions-League-Finale gegen Manchester verloren hatte. Niemand hat uns etwas zugetraut, aber wir haben gekämpft bis zum Umfallen.
Frank Rost hat damals das Elfmeterschießen allein entschieden - einen Elfmeter gehalten gegen Lothar Matthäus, danach einen verwandelt gegen Oliver Kahn. Wie haben Sie das erlebt?
Ich wäre sogar der Nächste gewesen, wenn Matthäus nicht verschossen hätte. Natürlich war ich froh, dass Rost den Ball halten konnte. Schließlich war ich noch recht jung, und das wäre ein ganz schöner Nervenkitzel geworden.
Stichwort Nerven: Wer steht denn diesmal mehr unter Druck?
Wir nicht! Wir sind klarer Außenseiter und spielen gegen die beste Mannschaft Europas. Wir können mit einem Sieg eine tolle Saison krönen. Die Bayern haben so oder so eine ausgezeichnete Saison gespielt. Aber mich erinnert die Situation wieder an das Jahr 1999: Alle reden nur vom FC Bayern München, alle reden nur vom Triple. Uns hat keiner auf dem Plan. Es gibt daher nichts Schöneres als ein Pokalsieg gegen die Bayern - aber auch nichts Schwierigeres.
Überrascht Sie das attraktive Spiel der Münchner unter Louis van Gaal?
Man muss ja auch mal sehen, was die Bayern dafür investiert haben: Robben und Ribéry haben zusammen 50 Millionen gekostet, Gomez 30 Millionen. Es wäre traurig, wenn dann keine Qualität vorhanden wäre. Von den Finanzen her sind sie die klare Nummer eins mit ihrem Kader. Umso erstaunlicher ist doch, was wir Woche für Woche mit Werder auf die Beine stellen.
Warum sind die Bremer so eine ausgesprochene Pokalmannschaft?
Vielleicht macht es einfach Spaß, in Berlin zu spielen, viele Spieler haben das im vergangenen Jahr das erste Mal erlebt. Man muss auch ehrlich sagen, dass wir dieses Jahr enorm viel Glück mit der Auslosung hatten, trotzdem muss man da erst mal durchmarschieren. Im Vorjahr war der Endspiel-Weg mit Spielen in Dortmund, Wolfsburg und Hamburg viel schwieriger. Für uns ist es eine Riesenaufgabe, diesen Titel zu verteidigen; das ist seit Wochen in unseren Köpfen.
Viele Beobachter sprechen bei Torsten Frings davon, er würde seinen dritten oder vierten Frühling erleben…
Dann wäre ich ja schon 100 Jahre alt (lacht). Solche Fragen machen mich echt fertig.
Versuchen wir es anders: Wir stellen fest, dass Torsten Frings derzeit zweikampfstark und spritzig wirkt und fast in WM-Form spielt.
Ich fühle mich sehr gut und es macht mir Spaß, Fußball zu spielen. Mein Vertrag läuft noch bis 2011, ich kann noch zwei, drei Jahre spielen, aber ich habe auch nicht den Druck, unbedingt noch weiterspielen zu müssen. Wenn ich merke, es reicht nicht mehr, dann höre ich halt auf.
Diesen Sommer haben Sie lange Urlaub.
Ja, so lange wie noch nie. Ich werde richtig viel Zeit haben. Die Nationalmannschaft ist ja abgehakt; für mich ist gut zu wissen, dass es nichts mit der Leistung zu tun, sondern persönliche Gründe hatte.
Es hieß, Sie wollten irgendwann Ihren Heimatklub Alemannia Aachen noch einmal nach oben schießen?
Grundsätzlich kann man sich ja immer vorstellen, dorthin zurückzugehen, wo alles anfing. Aber im Moment möchte ich noch bei einer Klassemannschaft wie Werder Bremen spielen, auch international. Was dann wird, weiß ich noch nicht, später möchte ich auf jeden Fall dem Fußball verbunden bleiben.
Was ist denn geplant, wenn Werder am Samstag wieder den Pokal gewinnt?
Wir gehen auf eine Veranstaltung vom Verein, das ist in Ordnung, denn die gesamte Werder-Familie will daran ja am Erfolg teilhaben. Was danach noch passieren würde, entscheiden wir dann spontan.
Und dann nehmen Sie den Pokal mit aufs Zimmer?
Ich habe den Pokal schon oft danach bei mir gehabt, den können gerne andere haben. Die Jungen zum Beispiel, Philipp Bargfrede, der hätte sich das verdient, oder Marko Marin - die können sich den Pokal gerne mit aufs Zimmer nehmen, sie müssen ihn nur nächsten Morgen wieder mitbringen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles