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Torben Becker sichtet die sozialen Bewegungen der Stadt

Das Ende der emanzipatorischen Fahnenstange ist längst nicht erreicht, im Gegenteil. Wir leben im Spannungsverhältnis zwischen Selbstermächtigung und Regression. Erkämpfte Freiheiten werden zunehmend ungeachtet ihrer solidarischen Traditionen in exklusive Privilegien übersetzt. Zwei dominante Tendenzen sind dabei erkennbar: Erstens ein staatszentrierter Freiheitsbegriff, der hauptsächlich für die Bürger*innen des Landes Geltung hat, und zweitens dessen gesellschaftliche Konnotation eines homogenen Zusammenhalts der Bevölkerung – das Gegenspiel eines „Wir“ und eines „Ihr“.

Dienlich zeigen sich in diesen Diskursen symbolische Begriffe, die vage Vorstellungen komplexer Zusammenhänge suggerieren. Der Heimatbegriff ist ein solcher. An diesem Beispiel wird am Freitag dessen semantische Unbestimmtheit und Eigenschaft als umkämpfte Metapher diskutiert. Denn in aktuellen Debatten repräsentiert dieser Begriff die Sehnsucht nach Überschaubarkeit und der Sicherung des bisher Bekannten. Mit renommierten Kulturwissenschaftler*innen wird im Rosa-Luxemberg-Salon über dessen Verwendung, die damit angesprochenen Emotionen und deren möglichen Stellenwert für eine linke Politik gesprochen (29. 6., Franz-Mehring-Platz 1, 10 Uhr).

Jedoch wird der Kampf um Begriffe nicht nur in Seminaren ausgefochten. Die AfD lädt am Freitagabend zum „Bürger-Dialog“ ins Rathaus Neukölln, um die geforderte Umbenennung der Wissmannstraße zu kritisieren. Die Straße in Neukölln ist nach dem deutschen Kolonialverbrecher Hermann von Wissmann benannt. Die Schwarze Community und solidarische Initiativen fordern seit Jahren die Umbenennung und eine Aufarbeitung deutscher Kolonialgeschichte. Mittels störender Zwischenrufe wird der Dialog mit dieser Perspektive konfrontiert und der Kampf um solidarische Symbole geführt werden (29. 6., Karl-Marx-Straße 83, Raum A203, 19 Uhr).

Regressive Tendenzen im Ringen um Bedeutungen, besprechen am Dienstag im Aquarium/Südblock zudem die Herausgeber*innen und Autor*innen des Bandes „Antifeminismus in Bewegung“. Konkret werden antifeministische Besetzungen einer emanzipatorischen Bewegung diskutiert und wie diese Argumentationen gegenwärtig damit bedient werden (3. 7., Skalitzer Str. 6, 19 Uhr).

Am Mittwoch diskutiert ein Vortrag im Museum des Kapitalismus, wie Emanzipation trotz der globalen Dominanz kapitalistischer Praktiken organisiert werden kann und was das für eine antikapitalistische Taktik bedeutet (4. 7., Köpenicker Str. 172, 20.30 Uhr).

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