: Tony’s Last Victory
AUS DUBLIN RALF SOTSCHECK
Der britische Finanzminister Gordon Brown ist der Gewinner der Unterhauswahlen vom Donnerstag. Zwar kann die Labour Party zum ersten Mal in ihrer 105-jährigen Geschichte eine dritte Amtszeit antreten, doch ihre Mehrheit ist um rund 100 Sitze auf 66 geschrumpft. Hauptgrund dafür ist der Irakkrieg, durch den Premierminister Tony Blair das Vertrauen bei vielen Wählern verspielt hat. Mehrere frisch gewählten Labour-Abgeordnete forderten gestern deshalb seinen Rücktritt. Wahrscheinlich wird Blair noch den G-8-Gipfel im Juli in Schottland und die EU-Präsidentschaft im zweiten Halbjahr hinter sich bringen, doch bis zu den wichtigen Kommunalwahlen im Mai nächsten Jahres wird er seinen Stuhl für Brown räumen.
Das Wahlergebnis ist noch knapper, wenn man es in Prozenten ausdrückt. Labour kam auf 36, die Tories auf 33 und die Liberalen Demokraten auf 22 Prozent. Keine Regierung war bisher mit einem niedrigeren Stimmenanteil ins Unterhaus eingezogen. Wegen des Mehrheitswahlrechts, bei dem auch knapp unterlegene Kandidaten leer ausgehen, erlangte die Labour Party jedoch erneut die absolute Mehrheit der Mandate. Die Wahlbeteiligung lag bei 61 Prozent. Vor vier Jahren war sie mit nur 59,4 Prozent auf dem niedrigsten Stand seit 1918 gewesen.
Blair, der gestern seinen 52. Geburtstag feierte, räumte in seiner Siegesrede im Wahlkreis Sedgefield ein, dass der Irakkrieg „das Land geteilt“ habe. Die Tories profitierten davon nur indirekt, da auch sie den Krieg befürwortet hatten. Doch viele Kriegsgegner schwenkten von Labour zu den Liberalen Demokraten um, sodass die Tories in einer Reihe von Wahlkreisen lachende Dritte waren. Sie konnten um gut 40 Sitze zulegen, obwohl ihr Stimmenanteil im Vergleich zu den Wahlen 2001 stagnierte. Ihr größtes Manko ist, dass sie bei Frauen nicht ankommen. Zwar gaben 36 Prozent der Männer den Konservativen ihre Stimme, aber nur 27 Prozent der Frauen.
Tory-Chef Michael Howard kündigte gestern seinen „baldigen Rücktritt“ an. Sein Wahlkampf war eine Kampagne gegen Einwanderung, die sich nur in den Außenbezirken Londons auszahlte. In den Innenstädten mit hohem Anteil von Einwanderern wirkte sich die Taktik erwartungsgemäß nachteilig aus. Hier konnten dafür die Liberalen Demokraten der Labour Party einige Sitze abjagen, mussten auf dem Land jedoch auch Mandate an die Tories abgeben. Insgesamt kamen sie zwar auf ihr bestes Ergebnis seit 1929, doch ohne die Einführung der proportionalen Repräsentation, die sie seit langem fordern, wird ihnen auf absehbare Zeit kein Durchbruch gelingen.
Das größte Wahlkampfplus für die Regierung war die Wirtschaft. Die Arbeitslosenquote liegt bei nur 2,7 Prozent, das Wirtschaftswachstum bei 3,1 Prozent. Allerdings sind die Zukunftsaussichten weniger rosig. Der Haushaltsüberschuss aus dem Jahr 2000 ist einem Defizit von 2,9 Prozent in diesem Jahr gewichen. Um die versprochenen Investitionen ins Gesundheits- und Bildungssystem umzusetzen, muss die Regierung die Ausgaben in anderen Bereichen stark reduzieren oder die Steuern erheblich erhöhen – beides keine populären Maßnahmen.
Darüber hinaus wird es für Blair im neuen Parlament weitaus schwieriger, umstrittene Entscheidungen durchzuboxen. In der Vergangenheit haben ihm die eigenen Hinterbänkler trotz großer Labour-Mehrheit manche empfindliche Niederlage beigebracht. Künftig reichen gut 30 Dissidenten aus, um Blair zu düpieren – ein weiterer Grund, warum er in nicht allzu ferner Zukunft an Brown abgeben wird.