: Töpfer trickst Entsorgung
Atomgesetz soll geändert werden, um Atommüll aus den WAAs in Zwischenlagern verschwinden zu lassen Der Müll müßte eigentlich ins Endlager, aber das gibt es nicht / SPD: Plumper Verschleierungstrick ■ Aus Bonn Charlotte Wiedemann
Reaktorminister Töpfer will angesichts des nuklearen Entsorgungsnotstands zu einem atomrechtlichen Trick greifen: Hochradioaktiver Abfall aus der Wiederaufarbeitung, der zu Beginn der neunziger Jahren in großen Mengen aus Frankreich und England in Empfang genommen werden muß, soll künftig legal in Zwischenlagern deponiert werden können. Als „plumpen Verschleierungstrick“ wertet die SPD, wie diese Anordnung des Atomgesetzes bewerkstelligt werden soll: In einem Gesetzentwurf für die Einrichtung des „Bundesamts für Strahlenschutz“ wurde ganz unscheinbar eine Novellierung des Paragraphen 6 des Atomgesetzes versteckt: Dieser Paragraph bezieht sich bisher nur auf die „Aufbewahrung“ von Kernbrennstoffen, nicht aber auf Atommüll.
Töpfer führt unter dieser Rubrik nun die Öffentlichkeitsbeteiligung im Genehmigungsverfahren für Zwischenlager ein, faßt aber unter die „aufzubewahrenden“ Stoffe in einem Atemzug auch „kernbrennstoffhaltige Abfälle in Form von verfestigten Spaltproduktlösungen“. Hinter dem Wortungetüm verbergen sich jene verglasten Abfälle aus der Wiederaufarbeitung von Brennelementen in La Hague und Sellafield, die eigentlich in ein Endlager müssen. Das aber bekanntlich nicht existiert.
Vom Betreiber des Gorleben-Zwischenlagers war bereits beantragt worden, daß diese Glasbehälter mit hochaktivem Müll in Gorleben gelagert werden können. Bisher war aber davon ausgegangen worden, daß für die Zwischenlagerung derartigen Abfalls, ein aufwendiges Planfeststellungsverfahren neu in Gang gebracht werden müsse, wie es der Paragraph 9 des Atomgesetzes vorsieht. Daß Töpfer nun die Zwischenlagerung des Wiederaufarbeitungs -Mülls als „Aufbewahrung“ durch die Hintertür legalisiert, hält die SPD für eine „Unterschlagung der wahren Entsorgungslage“. Die Grünen sehen in der Gesetzesnovelle, die im Dezember Kabinett verabschiedet werden soll, eine „Aushöhlung des gesamten Atomrechts“: Denn die bisher bedeutsame verfahrensrechtliche Trennung von Zwischenlagerung und Endlagerung werde verwischt, wenn nun der Müll bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag „aufbewahrt“ werden könne.
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