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Tödliches Virus

Seehundstaupe wütet vor der Küste Schleswig-Holsteins. Ministerium erlässt Aktionsplan

Die Seehundstaupe schlägt jetzt auch vor den Küsten Schleswig–Holsteins zu. Seit Dienstag sind allein 77 verendete Seehunde im Wattenmeer und auf Helgoland gefunden worden. Die Zahl der in Schleswig-Holstein gefundenen Tiere hat sich damit auf 285 erhöht, teilte das Nationalparkamt in Tönning (Kreis Nordfreisland) mit. Tatsächlich sind aber mehr Tiere verendet, da die meisten von ihnen auf hoher See sterben.

Das Staupe-Virus wird per Tröpfcheninfektion von Seehund zu Seehund übertragen. Das schleswig-holsteinische Umweltministerium hat deshalb einen Aktionsplan in Gang gesetzt, nach dem erkrankte Tiere nicht mehr gerettet werden dürfen. Der Plan bestimmt außerdem, wer für die Bergung der Kadaver zuständig ist und wer wen zu informieren hat. Damit zieht das Ministerium die Konsequenzen aus der Epidemie 1988, die 8600 Seehunde im Wattenmeer dahinraffte – 60 Prozent des Bestandes –, davon 5800 in Schleswig-Holstein. Heute leben wieder 20.000 Seehunde im Wattenmeer, davon rund 7500 vor der Küste Schleswig-Holsteins.

Woher das Virus stammt, ist nicht geklärt. Nach Auskunft von Ursula Siebert vom Büsumer Forschungs- und Technologiezentrum Westküste könnten Nerze aus Farmen oder der freien Wildbahn, aber auch arktische Tierarten Krankheitsüberträger sein. Das Virus schwächt die Seehunde so, dass sie zusätzlich an Infektionen erkranken oder von Parasiten befallen werden und daran sterben.

Die Mehrheit der Wissenschaftler geht nach Angaben des Umweltministeriums davon aus, dass 1988 das Immunsystem der Seehunde durch Schadstoffe vorgeschädigt war. Ihre Kadaver enthielten Schwermetalle, chlorierte Kohlenwasserstoffe und polychlorierte Biphenyle (PCB). In den gering verschmutzten Gebieten am Rand der Nordsee wurden dagegen Tiere gefunden, die zwar infiziert, aber nicht erkrankt waren.

Die These, die Seehunde erkrankten, weil es zu viele von ihnen gebe, hält man im Ministerium für falsch. Der Bestand von Robben reguliere sich vor allem über das Nahrungsangebot und die Fruchtbarkeit. Vor 100 Jahren gab es fast doppelt so viele Tiere wie heute. lno/knö

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