Tödliches Überholmanöver: Jörg Haider stirbt bei Unfall
Der europaweit unbeliebte Rechtspopulist war auf dem Weg zu seiner Mutter, als er beim Überholen von der Straße abkam. Seine Partei BZÖ steht unter Schock: "Für uns ist das wie ein Weltuntergang".
KLAGENFURT ap/taz Der österreichische Politiker Jörg Haider ist am frühen Samstagmorgen im Alter von 58 Jahren bei einem Verkehrsunfall gestorben. Der Kärntner Landeshauptmann und Chef des rechtsgerichteten Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) kam nach Polizeiangaben mit seinem Dienstwagen bei Klagenfurt nach einem Überholmanöver von der Straße ab.
Haider war am Freitagabend noch bei einer Veranstaltung gewesen, in der Nacht machte er sich allein auf den Weg zu seinem Anwesen im Bärental. Wie sein Sprecher Stefan Petzner der Nachrichtenagentur APA sagte, wollte die Familie dort am Wochenende den 90. Geburtstag von Haiders Mutter feiern.
Der genaue Unfallhergang war vorerst ungeklärt. Fest stand nach Angaben der Polizei, dass Haider in der Ortschaft Lambichl mit dem Auto nach rechts von der Fahrbahn abkam. Der VW Phaeton schlitterte eine Böschung entlang über einen Zaun, das Fahrzeug überschlug sich und kam auf den Rädern zum Stillstand. "Der Landeshauptmann erlitt schwerste Verletzungen im Kopf- und Brustbereich", sagte ein Polizeisprecher der APA. Das Auto wurde bei dem Unfall praktisch völlig zerstört, Haider erlag seinen Verletzungen noch am Unfallort.
Über die Toten nichts als Gutes ...
Bundespräsident Heinz Fischer sprach von einer "menschlichen Tragödie". Auch Bundeskanzler Alfred Gusenbauer äußerte sich betroffen. Haider habe die gesamte innenpolitische Landschaft Österreichs über Jahrzehnte hinweg geprägt, erklärte Gusenbauer in einer ersten Stellungnahme.
"Für uns ist das wie ein Weltuntergang", sagte Haiders Pressesprecher und Stellvertreter als BZÖ-Chef, Petzner. Wie es mit der Partei weitergehen werde, könne man vorerst noch nicht sagen. Die Amtsgeschäfte in Kärnten übernimmt Haiders bisheriger Stellvertreter Gerhard Dörfler. Er zeigte sich in einer ersten Reaktion tief bestürzt und betroffen: "Ich habe einen Lebensfreund verloren."
Der Chef der konservativen Volkspartei ÖVP, Josef Pröll, und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sprachen Haiders Familie ihr Beileid aus. "Mit seinem Ableben verliert die Republik einen großartigen Politiker", erklärte der FPÖ-Vorsitzende.
Verhasster Politiker
Durch seine rechtspopulistischen Äußerungen war Haider einer der umstrittensten und international bekanntesten Politiker Österreichs - und in liberalen Kreisen äußerst verhasst. Seine Partei hatte bei der Parlamentswahl am 28. September überraschend stark abgeschnitten und elf Prozent der Stimmen gewonnen.
Haider hatte 1999, auf dem Höhepunkt seiner politischen Karriere, mit seiner FPÖ erstmals die konservative ÖVP überflügelt. Obwohl Haider damals auf einen Posten in der Regierung unter dem ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel verzichtete und Anfang 2000 auch den Parteivorsitz niederlegte, kam es zu heftigen Protesten. Die EU-Staaten hielten monatelang bilaterale Sanktionen gegen Österreich aufrecht. 2002 rief er mit einem Besuch beim irakischen Machthaber Saddam Hussein erneut internationalen Protest hervor.
Empörung nach Aussagen über NS-Zeit
Für Empörung sorgte Haider in seiner politischen Laufbahn mehrfach mit Kommentaren über die NS-Zeit. Auf die Frage nach den engen Verbindungen seiner oberösterreichischen Eltern zu den Nazis im Zweiten Weltkrieg sagte er: "Im Nachhinein ist man immer klüger." Nachdem er die "ordentliche Beschäftigungspolitik" im Dritten Reich gelobt hatte, musste er als Landeshauptmann von Kärnten 1991 zurücktreten, da die ÖVP ihm die Zusammenarbeit aufkündigte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren