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Archiv-Artikel

Tödliches Duell in Afrikas Kokainzentrale

Der Präsident und der Generalstabschef von Guinea-Bissau werden kurz hintereinander getötet, das Militär übernimmt die Kontrolle. Guinea-Bissau war in den letzten Jahren eine Drehscheibe des Drogenhandels zwischen Südamerika und Europa

VON DOMINIC JOHNSON

Ein blutiger Machtkampf im westafrikanischen Guinea-Bissau hat mit dem Tod der beiden wichtigsten Machthaber geendet. Staatspräsident Nino Vieira wurde in der Nacht zum Montag in seiner Residenz erschossen, nachdem am Vorabend Generalstabschef Tagme Na Waie einem Bombenanschlag zum Opfer gefallen war. Gestern patrouillierten Panzer in der Hauptstadt Bissau, Soldaten plünderten den Präsidentenpalast. Aber die Armeeführung versicherte, es habe keinen Militärputsch gegeben.

Nino Vieira war der große alte Mann der Politik Guinea-Bissaus, eines der ärmsten und instabilsten Länder Afrikas, das erst 1974 nach langem Befreiungskrieg die Unabhängigkeit von Portugal erkämpfte. Er kam zuerst 1980 per Putsch an die Macht und verlor sie 1998 wieder per Putsch. Zwischen 1998 und 2005 erlebte Guinea-Bissau permanente Instabilität, mit Militärregimen, einer Militärintervention Senegals und einem kurzlebigen Machtwechsel unter Oppositionsführer Kumba Yala. 2005 organisierte das Militär die bislang letzten freien Wahlen, die Nino Vieira gewann. Er hatte sich von seiner ehemals sozialistischen Befreiungsbewegung PAIGC (Afrikanische Partei für die Unabhängigkeit von Guinea und den Kapverden) getrennt und sich zunehmend auf die Militärhierarchie verlassen.

Guinea-Bissaus Armee ist anders als viele in Afrika. Sie ist bruchlos aus den Zeiten des siegreichen antikolonialen Guerillakrieges hervorgegangen und hat nie einen Anlass gesehen, sich aus der Politik herauszuhalten oder sich in eine professionelle Streitkraft zu verwandeln. Regional gilt sie als Unsicherheitsfaktor, da Teile von ihr mit separatistischen Rebellen im Süden des Nachbarlandes Senegal, der Casamance, zusammenarbeiten. Wenn Militärs in Guinea-Bissau die Macht ergreifen, ruft das regelmäßig Senegal auf den Plan.

In den letzten Jahren sollte eine EU-Mission die bissauischen Streitkräfte reformieren. Immerhin wurde dadurch die Zahl der Soldaten, bislang bei 9.000 für bloß 1,3 Millionen Einwohner, halbiert. Parallel dazu erwuchs den Militärs eine neue Einnahmequelle: der internationale Drogenhandel. Kokain aus Südamerika kommt zunehmend über westafrikanische Länder nach Europa – allein 300 Tonnen jährlich über Guinea-Bissau, so UN-Schätzungen. Das Land hat zahlreiche Inseln, wo Soldaten den Stoff entgegennehmen. So gibt es im bitterarmen Bissau viele neue Luxusautos, die Regierung hat Devisenreserven von 113 Millionen Dollar, und im Wahlkampf für die letzten Parlamentswahlen am 16. November bezichtigten sich die Parteien gegenseitig, mit Drogengeldern finanziert zu sein. Die Wahl gewann die PAIGC, die auf ein verdächtig großes Wahlkampfbudget zurückgreifen konnte.

Der neue Reichtum sorgt für Streit, und im August und November 2008 hat Präsident Nino Vieira zweimal einen Putschversuch unzufriedener Militärs überstanden, die sich zu diesem Zweck mit Oppositionsführer Kumba Yala liierten. Dessen Ethnie der Balante stellt die Mehrheit der Truppe sowie der Bevölkerung Guinea-Bissaus, aber mit Ausnahme Kumba Yalas ist nie ein Balante Präsident gewesen.

Letztes Jahr rettete Generalstabschef Tagme Na Waie noch Präsident Nino Vieiras Haut. Aber dieses Jahr zerstritten sich die beiden: Anfang Januar beschossen Mitglieder der Präsidialgarde den Generalstabschef, der daraufhin die Garde entwaffnen ließ, zum Missfallen des Präsidenten. Der Streit hat sich nun in einer für beide Kontrahenten fatalen Weise zugespitzt.

Das Chaos in Guinea-Bissau folgt kurz auf den Militärputsch im benachbarten Guinea zu Weihnachten 2008, als dort der alte Präsident Lansana Conté starb und junge Soldaten unter Kapitän Moussa Dadis Camara die Macht ergriffen. Guineas neue Junta hat seither reihenweise Persönlichkeiten des alten Regimes wegen Verwicklung in Drogenschmuggel verhaften lassen. Letzte Woche gab der Sohn des verstorbenen Conté, Ousmane Conté, vor laufender Kamera zu, Kokaingelder erhalten zu haben, bevor er in der Haft starb, vermutlich an Folter. Nach Guinea ist Guinea-Bissau nun das zweite Land der Region, in dem Westafrikas Drogenökonomie in politische Turbulenzen gerät.