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Tödliche Versöhnungsklausel

■ betr.: „Aus dem Frauenhaus in den Tod“ (Zwei ins Frauenhaus ge flüchtete Frauen wurden nach der Rückkehr von ihren Männern tot geprügelt), taz-Berlin 14. 9. 95, „Vergewaltigung in der Ehe soll bestraft werden“, „Schutz und Strafe – Vergewaltung: Die Ehe bleibt geschützt“, taz vom 20. 9. 95

Die zwei Frauen, die nach einem Aufenthalt im Frauenhaus zu ihrem gewalttätigen Ehemann beziehungsweise Freund zurückkehrten und durch Gewaltanwendung mit Todesfolge ums Leben kamen (taz, 14. 9. 95), sind zwei traurige Beispiele, die Erfahrungen aus der täglichen Arbeit mit Gewaltopfern bestätigen.

Zufällig wurde fast zeitgleich der Gesetzesentwurf der Koalition in Bonn zur Vergewaltigung in der Ehe vorgelegt (taz, 20. 9. 95). Grundsätzlich begrüßen wir als Verein, der sich mit sexuellem Mißbrauch an Mädchen und Frauen beschäftigt, diese längst fällige Veränderung des Strafrechts in bezug auf sexuelle Gewalt in der Ehe, doch geht der Entwurf unserer Meinung nach nicht weit genug.

Wir kritisieren die eingebaute Versöhnungsklausel: zum einen wird damit ein mögliches Druckmittel der (Ehe)Männer gegen Frauen, die von ihrem Recht Gebrauch machen, gesetzlich festgeschrieben; zum anderen trifft diese, sonst völlig unübliche Sonderregelung auf ambivalente Strukturen bei den Opfern der Vergewaltigung, die katastrophale Folgen haben kann. Wie das oben genannte Beispiel familiärer Gewalt gegen Frauen zeigt, existieren bei Opfern extremer Gewalterfahrung widersprüchliche Gefühle zu dem in enger Beziehung stehenden Täter: einerseits Wut und Abwehr aufgrund der tatsächlich stattfindenden Gewalt und andererseits Bindung und Loyalität gegenüber dem Partner. Dies erzeugt einen inneren Druck und Gefühle, die es erschweren, einen Weg aus der Situation zu finden. Die Erfahrung zeigt, daß mit dem Abstand der Frauen von der realen Gewalt die Erinnerung daran verblaßt. Die Erfahrung zeigt aber auch, daß bei Rückkehr in die ursprüngliche Situation sich das Gewaltverhältnis meist verschärft hat.

Deshalb ist die Versöhnungsklausel als Möglichkeit zur Rettung der Ehe in dieser Form ein realitätsfernes Wunschdenken der PolitikerInnen. Vielmehr verschärft die Versöhnungsklausel Ambivalenzen und Schuldgefühle der Frauen (sie denken, sie zerstören die Ehe) und macht Gewalt zu einem Kavaliersdelikt.

Wir fordern daher, daß:

– Vergewaltigung in der Ehe als Offizialdelikt anerkannt wird;

– bestehende Schutzräume für Frauen gesichert und ausgebaut werden;

– Maßnahmen, die die Täter in die Verantwortung nehmen (zum Beispiel Verlassen der gemeinsamen Wohnung durch den Täter, Bannmeile zum Schutze der Frauen und Kinder), eingesetzt werden. Wildwasser e.V.,

Mädchenberatungsstelle, Berlin

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