: Tod eines Versöhners
NACHRUF Diogenes-Verleger Daniel Keel ist 80-jährig gestorben. Bis zuletzt prüfte er jeden neuen Titel
„Ich teile alle Werke in zwei Sorten ein: solche, die mir gefallen, und solche, die mir nicht gefallen. Ein anderes Kriterium habe ich nicht.“ Daniel Keel verfasste diesen Satz zum 50. Jubiläum des Zürcher Diogenes Verlags. Er umschreibt recht gut die selbstbewusste Maxime des Schweizer Ausnahmeverlegers: Diogenes druckte, was Keel für gut befand, und was Keel für gut befand, war sechs Jahrzehnte auch gut für den Verlag und seine Leser.
Seit der Gründung 1952 stand er zusammen mit seinem Geschäftspartner Rudolf C. Bettschart bis zuletzt aktiv an der Spitze des erfolgreichen Schweizer Verlags. Es heißt, kein Titel kam ins Programm, ohne dass er zuvor den Schreibtisch Keels passiert hätte. Aktuell hat Diogenes Bestsellerautoren wie Donna Leon, Martin Suter oder Paulo Coelho im Programm, aber auch Newcomer wie Benedict Wells oder Astrid Rosenfeld, die Kriminalromane von Jakob Arjouni oder Georges Simenon. Und natürlich: Schweizer Klassik von Friedrich Dürrenmatt bis Urs Widmer oder Satire von Loriot bis Tomi Ungerer.
Mit einer hochkarätigen Autorenliste im Rücken ließ sich leichthin Understatement betreiben, und gegebenenfalls zitierte Keel ein paar Geistesgrößen aus dem Verlagsprogramm: „Und da ich nur ein hilfloser Verleger bin, der – wie die Kritiker richtig vermuten – selber weder anständig lesen noch schreiben kann, habe ich die Formulierung meiner Gedanken bei einigen unserer Autoren entliehen, nämlich bei Picasso, Dürrenmatt, Balzac, Rodin, Jean Renoir, Montaigne, Cechov, Fellini, Fontane, Karl Kraus und Ludwig Marcuse.“ Keel war ein alter Fuchs, der die Tücken des Geschäftes kannte. Als einer der ersten unter den renommierten deutschsprachigen Verlegern erklärte er den Kalten Krieg zwischen Hoch- und Unterhaltungskultur für beendet und druckte die interessanten Kreuzungen: Ambler, Chandler, Fitzgerald, Highsmith, Faulkner, Hammet oder McCullers.
Keels Frau Anna, eine Malerin, war bereits letztes Jahr verstorben. Das Paar hat zwei Söhne, Jakob (1966) und Philipp (1968). Mit dem 1930 geborenen Daniel Keel ist am gestrigen Dienstag eine der großen Verlegerpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts gestorben. Nicht nur der Diogenes Verlag wird ihn vermissen.
ANDREAS FANIZADEH