Tischtennis: Jörg Roßkopfs stiller Abschied
Er ist über mehr als ein Jahrzehnt Symbolfigur des deutschen Tischtennissports gewesen und hätte gerne noch einmal bei Olympia mitgespielt. Doch er ist nicht mehr gut genug.
Der letzte Höhepunkt wird ihm versagt bleiben. Zu gern hätte Jörg Roßkopf nächsten Sommer die deutsche Fahne ins Olympiastadion zu Peking getragen. Schon 2004 war er einer der Kandidaten für das repräsentative Privileg gewesen, doch ihm wurde Ludger Beerbaum vorgezogen. In Peking - es wäre Roßkopfs sechste Olympiateilnahme gewesen - hätte kaum jemand dem dienstältesten deutschen Tischtennisnationalspieler diese prestigeträchtige Ehre verwehren können.
All sein Streben hatte Roßkopf auf 2008 gerichtet, auf diesen "unglaublichen Traum", wie er selbst sagt. Mit allen Kräften wollte er verhindern, dass das Alter die Macht über seine Karriere gewinnt. Vergebens. Jörg Roßkopf spielt mit seinen 38 Jahren nicht mehr gut genug Tischtennis, um noch einmal bei Olympia dabei zu sein. Was seit längerem absehbar war, ist nun gewiss: Er hat keine Chance mehr, sich zu qualifizieren.
Dennoch hat Roßkopf es dieser Tage geschafft, die Tischtennisgemeinde zu überraschen. Dem Online-Fachmagazin "Tischtennis Inside" gab er ein Interview, in dem er das Ende seiner internationalen Karriere in Aussicht stellte. Dieses Ende könnte sehr bald kommen, vielleicht schon nach den German Open, die an diesem Wochenende in Bremen stattfinden. "Ich kann zwar noch keine definitive Aussage treffen, aber ich kann mir schon vorstellen, international Schluss zu machen", sagte Roßkopf. "Über die German Open mache ich mir nicht mehr so viele Gedanken, das ist für mich nicht mehr so wichtig." Für das ausgezeichnet besetzte Turnier - bei den Männern gingen neun der weltbesten zehn an den Start - rechnete Roßkopf sich ohnehin keine großen Chancen aus.
In den kommenden Wochen will Roßkopf sich mit den Bundestrainern zusammensetzen und eruieren, ob die für die Mannschafts-WM und die EM im kommenden Jahr noch mit ihm planen. "Es ist ausgemacht, dass wir ihm ein Signal setzen. Und das werden wir tun", sagt Dirk Schimmelpfennig, Sportdirektor des Deutschen Tischtennis-Bundes (DTTB). Die Tendenz ist klar: Das Signal wird auf Rot stehen. Auch Roßkopf selbst sagt: "Ich will nicht nur auf der Bank sitzen, weil ich Jörg Roßkopf heiße. Ich will niemandem einen Platz wegnehmen."
Roßkopf ist noch kein Tischtennissenior, bei dessen Anblick alle peinlich berührt mit dem Kopf schütteln. Seine Bilanz in der Bundesliga ist passabel. Er ist in den vergangenen Monaten und Jahren nicht gravierend schlechter geworden. Allerdings fehlen ihm die internationalen Erfolge auf Pro-Tour-Turnieren wie diesen German Open. Roßkopf hat nur nichts mehr zuzusetzen - im Gegensatz zu den Jüngeren.
Vor gut einem halben Jahr war er laut Weltranglistenposition 43 noch einer von vier mehr oder weniger gleichwertigen Deutschen hinter Timo Boll. Heute ist Roßkopf 46. "Nur ist die Konkurrenz herangewachsen und vorbeigezogen. Roßkopf ist der Letzte aus der großen Generation mit Steffen Fetzner und Peter Franz. Der Wechsel ist vollzogen", sagt DTTB-Sportdirektor Schimmelpfennig mit Blick auf die mittlerweile klare Positionsverteilung mit Dimitrij Ovtcharov (19. der Weltrangliste) und Bastian Steger (29.) hinter Boll.
Schimmelpfennig greift angesichts des nahenden Karriereendes Roßkopfs zu staatstragenden Worten. "Jörg hat für den DTTB unglaublich viel gewonnen. Er wird ein wichtiges Stück deutscher Tischtennisgeschichte bleiben." Das sind Töne, die Roßkopf nicht peinlich berühren werden. Er ist sich seiner Bedeutung für den Sport als Vorgänger von Timo Boll in der Rolle des prominentesten Vertreters bewusst. Er hat Boll auch noch einige Erfolge voraus. In Roßkopfs Lebenslauf stehen sowohl eine Einzelmedaille bei Olympia (Bronze 1996) als auch ein Weltmeistertitel (1989 im Doppel mit Steffen Fetzner). Roßkopf hat jede Legitimation, auf Lebenszeit als hohe Autorität im deutschen Tischtennis zu gelten. Und es besteht kein Zweifel, dass er diese Rolle mit Vergnügen ausfüllen wird.
Die aktive Karriere des Jörg Roßkopf aber wird ohne die Olympiateilnahme 2008 ein eher stilles Ende nehmen. Er wird die Bundesligasaison zu Ende spielen, noch einmal bei den Deutschen Meisterschaften antreten. Und das war es dann wahrscheinlich. Auf Nachfrage erweckt er den Eindruck, dass ihn das Karriereende nicht in eine Sinnkrise stürzen wird. "Ich bin mit mir im Reinen." Der Weg in den Trainerberuf steht ihm offen. "Jörg könnte in einer Trainerfunktion dem Tischtennis viel geben", sagt Dirk Schimmelpfennig. "Er ist für die jungen Spieler eine Respektsperson." Roßkopf selbst betont, er habe schon mehrere Angebote vorliegen.
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