piwik no script img

Tipp der Woche: Radek Krolczyk über Klaus Staudt im Bremerhavener KunstmuseumPathos in Weiß

Einen Klassiker der ungegenständlichen Kunst zeigt das Bremerhavener Kunstmuseum derzeit in einer Kabinettausstellung: „Horizonte“ besteht aus vorwiegend neuen Arbeiten des 85-jährigen Künstler Klaus Staudt. Fast alle Werke der Schau sind in hellen Farbtönen gehalten, die Oberflächen sind glatt und leuchten im künstlichen Licht des Ausstellungsraumes. Seit Mitte der 60er-Jahre fertigt Staudt seine einzigartigen Bildobjekte, die er selbst als Reliefs bezeichnet.

Die Arbeiten gehören der sogenannten konkreten Kunst an – sie abstrahieren nicht die Wirklichkeit, sondern lassen Geistiges konkret werden. Die meisten Werke in der Bremerhavener Schau sind in einen weißen Rahmen gefasst. Vorn schließt eine Glasplatte den Raum ab. Eigentlich aber ist dieser Rahmen bereits Teil der Arbeiten von Staudt und kein einfaches Museumsmöbel. Innerhalb dieser Rahmen gibt es eine ganze Menge zu sehen und zu entdecken – was selten ist, bei so vollkommener Ungegenständlichkeit.

Was geschieht hier unter der Glasplatte? Man sieht zunächst auf einer hellen Fläche ein Muster, leicht abgesetzt in einer recht ähnlichen Farbe. Erst beim genauen Hinsehen bemerkt man, dass es sich dabei um aufgesetzte identische, geometrische Objekte handelt, die an kleine Holzklötze erinnern. Durch diese Objekte wird die Fläche dynamisiert. Manchmal erinnern die Bilder, die sich auf diese Weise ergeben, an Diagramme, manchmal an die Lamellenfolgen wie bei Jalousien. Manchmal erinnern sie an nichts. Wenn man die Schatten verfolgt, die sich als dunklere Flächen um die Klötzchen ausbreiten, versteht man zunächst nicht, auf welche Weise die Elemente physisch zusammenhängen. Sind die Schatten echt oder nur aufgemalt?

Irgendwann begreift man schließlich, dass die Objekte auf einer leicht durchscheinenden Plexiglasplatte angebracht sind, unter der sich die Anordnung dieser Holzteile wiederholt. Es ist ein höchst komplexes Spiel mit Farben, Formen, Licht und Schatten, das Klaus Staudt in Werken wie diesem zur Aufführung bringt. Wobei ihm die Farbe Weiß von besonderer Wichtigkeit erscheint: „Ich liebe die Farbe Weiß, sie ist offen für Licht und verändert sich mit jeder Strahlung. Weiß ist die Botschaft der Helligkeit, der Immaterialität. Weiß ist die Summe aller Farben.“ Solch ein Minimalismus, wie Staudt ihn verfolgt, ist immer auch ein wenig pathetisch. Was schließlich wäre minimaler und aufgeladener zugleich, als Licht und die Farbe Weiß?

Die Ausstellung ist bis zum 16. Juli im Kunstverein Bremerhaven zu sehen.

Der Autor ist Betreiber der Galerie K‘.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen