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■ TipGeschichtsstunde

„Die Mauer, die der Osten errichtet hat, ist an einem Tage niedergerissen worden. Doch die geistige Mauer, an der wir beide arbeiten, wird auch in zehn Jahren noch nicht abgetragen sein.“ So sang das Heidelberger Studentenkabarett „Das Bügelbrett“ geradezu hellseherisch 1963. Ihr Lied ist noch einmal zu hören in der fünfteiligen Dokumentation „Deutsch-deutsche Legenden – Wiederbegegnung mit uns selbst“.

Der Journalist Bernd C. Hesslein hat „Wochenschau“-Material aus Archiven der alten BRD und der Ex-DDR zu einem lehrreichen Passagenwerk zusammengeschnitten. In didaktisch kurz gehaltenen Häppchen von 30 Minuten ist ein Rückblick auf die deutsch-deutsche Vergangenheit entstanden, der das Prädikat „kritisch“ wirklich einmal verdient. In der ersten Folge wehrt sich Hesslein gegen die weitverbreitete Legendenbildung, daß wir Deutschen die Teilung erlitten hätten. Vielmehr klagt er eine Mitverantwortung für den „Kalten Bürgerkrieg“ ein, sucht aber auch nach „Gemeinsamkeit im Gegeneinander“.

Dennoch: Das deutsch-deutsche Duell war immer ein ungleiches. Und eines mit klaren Siegern und Verlierern. „Wiederbegegnung mit uns selbst“ nimmt eine Diskussion auf, die zu schnell an Runden Tischen abgebrochen, später in der Verfassungskommission von reaktionären Buben wie Dauergrinser Rupert Scholz niedergewalzt und in Deutschland-West nie richtig geführt wurde: Welche Identität haben wir Deutschen seit 1989 eigentlich? Was bringen wir aus 40 Jahren des Gegeneinanders mit? Was wollen wir davon behalten?

Wen angesichts solcher Fragen eine gewisse Schwere befällt, kann aufatmen. Hier wird nicht von der Kanzel geredet, sondern auf die Kraft von Bildern und Musik vertraut – bis in unterhaltsame Details: Betatscht der Genosse Erich Honecker Kleinkinder, erklingt das Lied „Die rote Fahne“. Nicht gespielt von irgendeiner Mucke, sondern von der Wiebelshausener Schalmeienkapelle, in der Honni einst selbst musizierte.Holger Iburg

Die fünfteilige Doku „Deutsch- deutsche Legenden“ läuft ab heute jeweils dienstags um 17.30 Uhr auf N 3. Die Sendungen werden mittwochs um 9 Uhr wiederholt

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