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■ Tip: Wiglaf-Droste-LesungManche Erkenntnis

Nun wollen wir mal den Teufel mit dem Beelzebub vertreiben: Das dem manischen Vokabelmahner Wiglaf Droste speziell in diesem Jahr widerfahrenen Leid, Unrecht und Nichtnachgedenke just aus der Richtung, die dereinst frohgemut als „Basis“ zu bezeichnen man sich nicht lächerlich gemacht hatte – dies läßt uns die von Droste auferlegte Maulsperre gegen den übermäßigen Gebrauch hohler Phrasen aufreißen. Wir be- und erkennen, wie sich das so verhält mit dem Propheten im eigenen Land. Die Opfer dieser Betrachtungen reagieren, auch gerne, wenn sie nicht gemeint sind, mit Fußgestampfe und vergessen auch noch schnell den rechten (Ab-) Ort zur Verrichtung auch in linken Kreisen essentieller Entsorgungen. Geschissen wird vor öffentliche Räumlichkeiten, in denen der Dichter gerne gegen Blödheit und mitunter auch nur zum Spaß zu lesen und zu singen plant. Und zum „Abputzen“ werden nicht etwa wirre Flugblätter verwendet, nein, die werden schön verteilt und entkleiden unfreiwilligerweise den beklagenswerten Gemütszustand der Verfasser.

Nichts gegen geschlechtsspezifischen Widerstand, überhaupt nichts gegen antifaschistisch orientierte Wurzelbehandlungen am krankenden Gesellschaftszahn. Und alles gegen Faschisten, Rassisten, Sexisten und meinetwegen auch Polizisten. Doch eines, Freunde: kennt eure Feinde! Die diversen sich zusammenraufenden Frauen- und Männergruppen sollten subtiler protestieren. Asta La Vista hin oder her, niemand aber, der zu einer Lesung möchte, sollte daran gehindert werden. Solcherlei Methoden wollen wir uns für den wirklichen Feind aufheben. Und der heißt um Himmels Willen doch bitte nicht Wiglaf Droste. Niemand, der sich polemisch und satirisch in die Mißbrauchsdebatte einschaltet, ist automatisch ein Sexist. Und niemand ist ein Faschist, nur weil er Nazis nicht mag. Das sei antonym? Das ist antonym. Und Wiglaf Droste ein polemischer Jemand, dem wir für manche Erkenntnis danken sollten.

Sein neues Buch Brot und Gürtelrosen (Edition Tiamat) ist vielleicht sein gemeinstes, weil die Boshaftigkeit sich sehr gut tarnt. Dort, wo sich Linkens gerne mal zurückziehen und sich „unter sich“ wähnen, dort steht im Glücksfall immer schon Wiglaf Droste und notiert die Entgleisungen, ob beim Neil-Young-Konzert oder in Erinnerung an Erlebnisse mit The Köln Concert von Keith Jarret. Oder er beschwert sich endlich mal über den unseligen PDS-Punk namens Angela Marquardt, die sich ganz schön Kommunist fühlt. „Weiche Ziele“, wimmern manche, jedoch nur, weil sie hier getroffen sind. Nicht be-, aber ge-. Und das tut weh.

Benjamin v. Stuckrad-Barre

Wiglaf Droste: Brot und Gürtelrosen, Edition Tiamat, 127 S., 20 Mark. Lesung heute im Lola, Lohbrücker Landstraße 8, 20 Uhr.

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