Til Schweiger gegen das Feuilleton: Schmollen und grollen
Til Schweiger will seinen neuen Film „Schutzengel“ der Presse nicht im Vorfeld zeigen. Mal wieder. Dabei wird er von der Filmförderung unterstützt .
Til Schweiger ist verstimmt. „Das Verhältnis Feuilleton/Til Schweiger“, hat er kürzlich der Nachrichtenagentur dpa anvertraut, „das wird nix mehr, das passt nicht zusammen.“ Seit er 2007 die romantische Komödie „Keinohrhasen“ in die Kinos brachte, verzichtet er darauf, Pressevorführungen seiner Filme anzubieten.
Den Filmkritikern steht es frei, am Tag der ersten regulären Aufführung ins Kino zu gehen und anschließend über den Film zu schreiben. Das wiederum verstimmt die Filmkritiker. Jedes Mal, wenn ein neuer Film Schweigers startet, veröffentlicht der Verband der Deutschen Filmkritik eine Protestnote. In der aktuellen fordert er Kulturstaatsminister Bernd Neumann auf, „derartigen Zensurbemühungen“ ein Ende zu setzen.
Am Donnerstag kommt „Schutzengel“ ins Kino. Schweiger hat Regie geführt, produziert, die Hauptrolle übernommen, am Drehbuch mitgearbeitet, am Schneidetisch saß er auch. Das Resultat ist ein Actionfilm, in dem er einen ehemaligen Elitesoldaten gibt, der sich heute als Personenschützer verdingt; seine Tochter Luna Schweiger spielt auch mit.
Auf der Website der Produktionsfirma Barefoot Films kann man sich einen Trailer anschauen, der mit emotional aufgeladenen Momenten verschwenderisch und mit den Farben sparsam umgeht. Bundeswehrsoldaten in Usbekistan und in Afghanistan durften „Schutzengel“ schon sehen; Schweiger war, begleitet von einem Journalisten des Spiegels, bei den Vorführungen anwesend. Auch hat er „Schutzengel“ als Kandidaten für den deutschen Beitrag im Rennen um den Auslands-Oscar eingereicht, ohne Erfolg.
Desinteresse auf beiden Seiten
Das alles wäre nicht weiter der Rede wert, schließlich ist es das gute Recht eines Produzenten zu entscheiden, ob er Pressevorführungen anbietet. Und Desinteresse herrscht auf beiden Seiten. Wer im Kino eine Kunstform sieht, der hält es in Sachen Til Schweiger gern mit Bartleby, dem Helden der Verweigerung: „Ich möchte lieber nicht.“ Und kann sich grundsätzliche Gedanken darüber machen, dass Publikumsgeschmack und ästhetische Kritik nicht zur Deckung kommen – und warum das vielleicht gar nicht so dumm ist.
Doch die Sache hat einen Schönheitsfehler. Zwar ist Schweiger stolz darauf, dass seine Filme jeweils mehrere Millionen Besucher ins Kino holen und ihre Produktionskosten einspielen. Öffentliche Förderung nimmt er gleichwohl in Anspruch. Der Deutsche Filmförderfonds (DFFF), die Filmförderanstalt (FFA) und das Medienboard Berlin-Brandenburg haben in „Schutzengel“ insgesamt knapp 3 Millionen Euro gesteckt.
Und dann ist nicht mal eine Pressevorführung drin? Wer nachfragt, stellt fest, dass die Regelwerke der Filmförderer dies von den Produzenten gar nicht erst verlangen. Und er erhält den Eindruck, dass nicht nur Til Schweiger, sondern auch die Filmförderer auf Öffentlichkeit wenig Wert legen.
Eine Sprecherin der FFA – die Anstalt ist mit 300.000 Euro Verleihförderung und 300.000 Euro Medienleistungen im Spiel – sagt: „Es ist die Entscheidung des Produzenten, wie er seine Filme vermarktet.“ Sie möchte namentlich nicht genannt werden, da es an ihrer Chefin ist, sich zur Sache zu äußern, die aber hat keine Zeit.
Nonchalance der Filmförderer
Ähnlich beim Medienboard: Kirsten Niehuus, für die Filmförderung verantwortlich, hat zu viele Termine für eine Stellungnahme, ihre Sprecherinnen möchten sich inhaltlich nicht äußern. Sollte es ein Problembewusstsein geben, wird es gut versteckt. Die Produktionsfirma ist mit sich im Reinen. In einer E-Mail schreibt Barefoot Films: Das Geld vom DFFF diene der „Stärkung des Produktionsstandortes Deutschland“, das übrige Geld, das an einen kulturellen Auftrag gebunden ist, werde sicherlich zurückgezahlt.
Die Nonchalance der Förderer macht dann doch ein wenig perplex, zumal wenn man weiß, wie schwer sich kleinere Produktionsfirmen tun, Förderzusagen zu erhalten.
Und noch etwas: Beleidigt zu sein steht niemandem gut zu Gesicht. Wie leicht fiele es Schweiger, von seinem Groll abzusehen, Pressevorführungen zuzulassen und Verrisse hinzunehmen. Das Einspielergebnis und der Besucherandrang bieten doch genug Grund zur Freude.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Psychiater über Kinder und Mediennutzung
„Die Dinos bleiben schon lange im Schrank“
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
Verbotskultur auf Social Media
Jugendschutz ohne Jugend