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TierpsychologieDem Hund die Chefallüren austreiben

Gabriele Zuske ist Tierpsychologin. Sie macht Vierbeiner glücklich, indem sie überforderten Besitzern erklärt, was sie - etwa bei der Erziehung von Hunden - falsch machen.

"Neee, Lemmy, nein. Das darf doch nicht wahr sein. Der hat schon wieder in die Wohnung gepinkelt!", schreit Herr Rhode. Er ist Besitzer von Lemmy, einem jungen Golden-Retriever-Rüden. Rhode greift in den Wäschekorb, zieht ein Tuch heraus und beseitigt die Hinterlassenschaft des Hundes.

Seit drei Wochen haben Rhode, ein smarter 30-Jähriger, und seine Partnerin, den vierbeinigen Mitbewohner. Der aber spurt nicht. "Er pinkelt mehrmals am Tag in die Wohnung", berichtet Rhode. Und bei jedem Geräusch von draußen knurre er. "Wenn wir in die Nähe seines Futternapfes kommen, während er frisst, knurrt er erst recht." Helfen soll ihnen in Sachen Hundeerziehung nun Gabriele Zuske. Bei einer Recherche im Internet waren Rhode und seine Freundin auf die Berliner Tierpsychologin gestoßen.

Zuske macht Hausbesuche bei überforderten Tierfans. Deshalb bekommt Lemmy jetzt in der Wohnküche des Paares aus Friedrichshain auch ein Leckerli nach dem anderen von ihr. "Ja fein, gut so" - für jeden Augenkontakt, den der Hund aufnimmt, wird er von ihr belohnt. "Das muss Ihr Lemmy erst lernen, dass der Austausch von Blicken im Umgang mit Menschen keine herausfordernde Geste ist", erklärt sie und händigt den überforderten Hundeeltern ein Heft aus. Darin hat sie die wichtigsten Eigenschaften von Psyche und Kommunikation des Hundes zusammengetragen. "Hunde ticken anders als Menschen. Das hier ist ein Anti-Dominanz-Programm, das dürfen Sie jetzt abarbeiten."

Die beiden frisch gebackenen Hundebesitzer müssen nicht nur die Signale verstehen lernen, die hinter Lemmys Gesten stecken. Vor allem hat das Paar die Bedeutung der Rangordnung im Leben eines Hundes unterschätzt. Durch ihre Verhaltensweisen haben sie ihrem Hund den Status "Chef" zugewiesen. Kein Wunder also, dass Lemmy knurrt, sobald sich jemand seinem Futternapf nähert. "Der Hund muss lernen, dass er das Futter von Ihnen bekommt, und soll es sich erarbeiten. Nichts gibts umsonst - für Sie nicht und auch nicht für ihn", betont Zuske.

Zwei- oder dreimal in der Woche fährt die 49-Jährige, die tagsüber als kaufmännische Angestellte in einer Baufirma arbeitet, abends zu Vorortterminen bei ratlosen Tierbesitzern, erzählt sie und zündet sich eine Zigarette an. Seit inzwischen zehn Jahren gibt sie das Wissen, das sie vor allem im Umgang mit ihren eigenen Tieren erworben hat, an andere Menschen weiter. Drei eigene Hunde hatte sie im Laufe ihres Lebens bisher. Momentan werden bei ihr zu Hause allerdings Rennmäuse und Minitiger versorgt.

Selbst ausgebildet

Eine Ausbildung in Tierpsychologie habe sie zwar nie absolviert, aber: "Ich habe jede Menge Bücher gewälzt, wenn ich wieder Probleme mit einem meiner Tiere hatte." Und weil Tierpsychologin keine geschützten Berufsbezeichnungen ist, darf sie sich auch ohne Ausbildung so nennen. Zudem hat Gabriele Zuske damit begonnen, Krankheiten der Vierbeiner mit homöopathischen Mitteln zu behandeln. Manche ihrer Kunden fragten sie nun auch um Rat, wenn das Tier krank ist, erzählt sie.

Das Gespräch wird von Zuskes Handy unterbrochen. "Ja, hmmhh, ja, kann ich mir vorstellen", ruft sie in den Hörer. "Hhmm, ja". Dann: "Sind beide unsauber?" Die Anruferin möchte die Dienste der Tierpsychologin in Anspruch nehmen. Ihre beiden Katzen sind nicht nur unsauber, sondern auch streitsüchtig. "Ich nehme 75 Euro pro Stunde und Fahrtkosten. Prenzlauer Berg ist ja nicht weit, das werden dann so 6 bis 7 Euro sein. Aber dann haben Sie für ein langes Katzenleben Ruhe." Zuske kann für nächste Woche einen Termin notieren.

Katze statt Freund

Ihre Kunden entsprächen nicht dem Klischee dieser Promis mit Schoßhündchen, betont sie. Die meisten Menschen, die ihre Hilfe in Anspruch nehmen, lebten solo. "Manche Frauen schicken einen Mann wieder weg, wenn die Katze mit dem nicht klarkommt", sagt sie kopfschüttelnd. "Können Sie sich das vorstellen?"

In den meisten Fällen reiche ein einziger Termin, um die gewünschten Verhaltensänderungen bei Halter und Tier herbeizuführen. Ja, bei beiden, und auch in dieser Reihenfolge. "Denn", so Zuske, "die Tiere verhalten sich der Situation angemessen. Ihr Verhalten ist nicht gestört, sondern nur störend für die Besitzer. Mit der Humanpsychologie kann man die Tierpsychologie von daher nicht vergleichen."

Das ist für Gabriele Zuske allerdings kein Grund, dieses Gebiet nicht auch für sich zu erschließen. Als sie davon erzählt, wie sie sich gerade mit Neurolinguistischer Programmierung beschäftigt, ist sie schon wieder auf dem Weg zu einem neuen "Fall". Überall in ihrem Auto hängen Stofftierchen. An Schlüsselbund, Rückspiegel und auch am Rucksack. Beim Anfahren und Bremsen schaukeln sie hin und her.

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