: Tierliebe - e.V.
■ In Ost-Berlin wurde der „Berliner Tierschutzverein e.V.“ neu gegründet - nach fast 20 Jahren Unterbrechung
Ostberliner TierschützerInnen gründeten am Sonnabend in der Chirurgischen Tierklinik ihrer Stadt den „Berliner Tierschutzverein e.V.“. Nach 20 Jahren staatlich angeordneten Verzichts auf Tierschutz ist der Verein nun der erste seiner Art in der DDR. Die 30 Gründungsmitglieder wählten Margarete Laske, Leiterin des Hundemuseums in Berlin -Blankenburg (die taz berichtete) zur Vorsitzenden.
Nicht als staatliches Organ, sondern als gesellschaftliche Kraft begreifen die Tierschützer ihren Einsatz für eine verbindliche Tierschutzgesetzgebung und den Schutz des Einzeltieres gegen Mißhandlung und Tierquälerei.
Das Reichstierschutzgesetz von 1933 gilt heute noch im Wendeland, Dr. Walter Schindler, Leiter des „Beirates für Tierschutz“ und jetziger stellvertretender Vorsitzender des Vereins, erhielt zwar 1987 vom Landwirtschaftsministerium den Auftrag, ein neues Gesetz auszuarbeiten, durfte es jedoch öffentlich nicht diskutieren. Es verschwand in ministerialen Aktenschränken. Jetzt steht das Tierschutzgesetz an 51. Stelle der in der Volkskammer zu diskutierenden Gesetzentwürfe. Verabschiedet wird es vermutlich nicht mehr, so Dr. Schindler, da für die DDR bis dahin dann das westdeutsche Tierschutzgesetz übernommen worden ist.
Den Tierschützern, organisiert in kirchlichen Arbeitskreisen und privaten Initiativgruppen, überließ der SED-Staat bislang die Fürsorge um die 50.000 Hunde und 100.000 Katzen in Ost-Berlin. Tierzucht und Massentierhaltung kontrollierte und diktierte das Landwirtschaftsministerium unter dem ökonomischen Zwang zur Lebensmittelproduktion: jährlich für 17 Millionen DDR-Bürger pro Kopf 101 Kilogramm Fleisch und 303 Eier. „Zur Vermehrung werden stets die Lebewesen ausgesucht, von denen im Hinblick auf das Zuchtziel größter Nutzen erwartet werden kann. Bei Rindern wird die Milch- und Fettleistung, bei Schweinen die Mastfähigkeit erhöht. Auf diese Weise verändert der Mensch die Natur“, so illustriert das DDR-Jugendlexikon von 1973 die Tierzucht. Bereits zwei Jahre vorher war der einst 1948 gegründete Tierschutzverein unter Staatsdruck zu Bruch gegangen.
Jetzt will der neue Ostberliner Verein auch in die Kontrolle der Tierhaltung eingreifen. Tierversuche wird es zwar weiterhin geben, Aufgabe des Tierschutzvereins wäre es aber, nach Dr. Schindler, die Versuche zu reduzieren. So könnten Doppelversuche mit Hilfe internationaler Datenbanken zur Bestätigung von Versuchen verhindert werden.
Noch sucht der „Berliner Tierschutzverein“ nach einer Druckerei für die Vereinszeitung. Gefunden hat er schon ein zweites Tierheim: die Hundezwingeranlage des Stasi -Wachregiments „Dzierzynski“. Von 2.500 herrenlos gewordenen Grenzhunden konnten die Tierschützer bereits 450 vermitteln: fünf in die USA, drei nach Kanada, drei nach Spanien und die übrigen nach Westdeutschland.
Den nächsten DDR-Tierschutzverein konstituieren die Leipziger. Parallel dazu bilden sich landesweit zahlreiche Initiativgruppen.
Holger Bergmann
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