: Tiergarten-Tunnel verteuert sich erneut
■ Die Spreeumleitung und wackelige Schweizer Botschaft verzögern die Arbeiten in der längsten Baugrube der Stadt
Die längste Baugrube in der Stadt, der Tiergartentunnel, kostet mehr Zeit und Geld. Verzögerungen wird es auch bei der „Deckelung“ der unterirdischen Röhren geben. „Der lange Winter sowie technische Schwierigkeiten beim Erdaushub haben der Spreeumleitung im Februar einen Strich durch die Rechnung gemacht“, sagte gestern Klaus-Dieter Mönnich, Geschäftsführer der Projektgesellschaft für Verkehrsanlagen im zentralen Bereich (PVZB). Das neue Flußbett, rund 70 Meter nördlich des alten Spreeverlaufs am Humboldthafen, werde erst im Sommer fertiggestellt.
„Überraschungen“, so Mönnich, habe es für die Tunnelbauer auch im Bereich der Schweizer Botschaft gegeben. Da erst jetzt herausgefunden wurde, daß die Botschaft auf Stahlpfählen im märkischen Sand steckt, „muß das Haus, das vom Autotunnel tangiert wird, neu abgesichert werden“. Die Grabungen könnten dort dann weitergeführt werden, wenn klar sei, wie tief die Pfähle in die Erde reichten und welche Auswirkungen diese auf den Tunnelbau hätten. Für das wackelige Gebäude „haben keine Bestandsunterlagen vorgelegen“, erklärte Mönnich. Ausreichende Voruntersuchungen seien nicht durchgeführt worden. Um wieviel Millionen sich das Drei-Milliarden- Mark-Projekt durch die Sicherungskonstruktionen verteuert, wollte PVZB-Boß Mönnich nicht sagen.
Abstimmungsbedarf zwischen der Projektgesellschaft und dem Bund gibt es zudem an der Kante zu den geplanten Dorotheenblöcken im nordöstlichen Spreebogen. Dort führt der Tunnel nur ein paar Meter an dem Bürohaus der Abgeordneten vorbei. Insgesamt verzögert sich die 2,7 Kilometer lange Baumaßnahme um fast ein halbes Jahr. Statt im dritten Quartal 1997 sollen die vier Röhren im ersten Quartal 1998 „gedeckelt“ werden. Mönnich wies Spekulationen zurück, die „Schwierigkeiten“ könnten Auswirkungen auf den Bau des Lehrter Zentralbahnhofs oder den Regierungsumzug haben: „Wir liefern keinen Grund, den Umzug zu verschieben.“
Der PVZB-Geschäftsführer und sein Bauleiter Hany Azer konnten aber auch einen Superlativ vermelden: Mit dem gestrigen Beginn für die Baugrube des Lehrter Zentralbahnhofs (Kosten: 190 Millionen Mark), bilde die Tunneltrasse die „längste zusammenhängende Baugrube Europas“. Diese reiche vom Gleisdreieck über den Potsdamer Platz und vom Regierungsviertel im Spreebogen bis zum Lehrter Stadtbahnhof. Derzeit würden vor dem Reichstag bereits die seitlichen Begrenzungswände betoniert, erklärte Azer.
1997 soll mit dem „Schildvortrieb“ unter dem Tiergarten begonnen werden. Das bedeutet, daß die Röhren für die Auto- und Fernbahntunnel in 22 Meter Tiefe unteridrisch gegraben werden. Noch im Juni dieses Jahres will die PVZB die Ausschreibung für die Rohbauarbeiten zum Zentralbahnhof starten.
Dem ICE-Bahnhof mit zwei 400 Meter langen Bahnsteigen in Hochlage sowie zwei ebenso großen Bahnsteigen unter der Erde soll der denkmalgeschützte Lehrter Stadtbahnhof weichen. Gegner des Projekts, wie der bündnisgrüne Verkehrsexperte Michael Cramer, kritisieren den Standort des „Regierungsbahnhofs“ sowie die Kosten des Projekts von fast einer Milliarde Mark. Rolf Lautenschläger
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