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Archiv-Artikel

Tiere, Schluchten, Feierabend

Ein Feierabend-Bier in exotischer Kulisse, das Hochzeitsfoto inmitten von Rhododendron und tierische Filmstars: So will Bernd Linke, neuer Chef der Botanika, das Finanzdefizit der Einrichtung verringern

Von dab

bremen taz ■ „Luftschlösser und Gelddruckmaschinen bauen wir Ihnen nicht“ – ist nachzulesen auf der Web-Seite des Büros Bernd Linke. Ein Grund, weshalb das Umweltressort der Beraterfirma, die unter anderem die Neubürgeragentur entwickelt hat und betreut, jetzt auch die Botanika überantwortet hat? Das grüne Science-Center im Rhododendronpark (Investitionsvolumen rund 38 Millionen Mark) ist eines der vielen Bremer Sorgenkinder, die sich als teure Luftschlösser entpuppten. Erst im Juni 2003 eröffnet, hatte es schon ein Jahr darauf ein Defizit von 650.000 Euro eingefahren. Die kalkulierte Besucherzahl von 220.000 wurde nicht mal zur Hälfte erfüllt: 2004 kamen gerade mal 100.000 Gäste.

Zu wenig, befindet auch Bernd Linke, der den Karren jetzt aus dem Dreck ziehen soll – mit einem auf ein Jahr befristeten Vertrag auf Honorarbasis. Linke will 15 Prozent mehr Leute in die Botanika holen. Wie das funktionieren soll? Das Rezept klingt simpel: „Breit gestreutes Marketing“ sieht Linke als Lösung – das, was die vorherigen Betreiber außer Acht ließen. Der Vorwurf: der wissenschaftliche Anteil sei zu akademisch ausgelegt gewesen. Außerdem sei nicht deutlich genug nach außen transportiert worden, was die Botanika eigentlich zu bieten habe. „Wir müssen für das Science Center mehr Popularität wagen“, ist die Devise des Kaufmanns, der mit seinen Einfällen in Bremen auch schon mal auf die Nase gefallen ist. Für die Neubürgeragentur etwa warb er mit einem Plakat, auf dem Damenbeine auf Stilettos, umwickelt mit transparentem Slip zu sehen waren. „Umziehen“ sollte das signalisieren, doch die meisten verstanden bloß: „Ausziehen“. Man müsse sich fragen, ob das Anliegen vernünftig transportiert worden sei, gestand Linke nach Protesten ein.

Jetzt brüten sechs Mitarbeiter in Linkes Konzeptionsbüro über „Abrundungsmaßnahmen“, die die Botanika attraktiver machen könnten: erstes Ergebnis ist eine Holzhängebrücke, über die die Besucher schaukeln können. Das kleine Mende-Gewächshaus soll reaktiviert werden – für Sonderthemen. So ist im Frühjahr eine Ausstellung zum Thema „Frühling und Dekoration“ geplant. Da die exotische Flora offenbar nicht ausreicht, genügend BesucherInnen anzulocken, will Linke jetzt auch die Fauna bemühen: Echsen und Krokodile werden sich im Mai im Schauhaus tummeln. Der Aussteller ist eine Tierfilmagentur. Linke erfreut: „Die Tiere sind allesamt Film- und Fernsehstars.“

Den Übergang vom „Entdeckerzentrum“ zum Schauhaus soll ein nachgebautes Flugzeug sicherstellen – das über einer imaginären Himalaya-Schlucht hängt. Dank alter Lufthansa-Sitze sollen sich die Botanika-BesucherInnen wie in einer Chartermaschine fühlen. Alles in allem will Linke nicht mehr als eine halbe Million Euro investieren.

„Eine zweite große Herausforderung“ ist laut Linke die „Bemühung des Klischees“. Was meint: Botanika wird Foto-Location für Hochzeitspaare. „Green after work“ heißt eine weitere Idee. In der Hochsaison soll Botanika zwei Stunden länger geöffnet bleiben – unter anderem mit dem Hintergedanken, junge, dynamische und erfolgreiche Arbeitnehmer zum After-Work-Drink in die botanische Gastronomie zu locken.

Dann sind da noch die Senioren, unter anderem klassisches Klientel für Kaffeefahrten. Auch hier schwebt dem neuen Botanika-Chef vor, dass Reiseunternehmen gut gefüllte Busse in den Park karren. Natürlich müsse man die Leute „gut in das Thema einführen“ – mit „Direct-Mail und grafisch ansprechendem Werbematerial“. Anfang des Monats schlug Linke schon auf der Hamburger Reisemesse die Werbetrommel. Und auf der Oldenburger Blumenschau sei auch schon ein Treffen mit Busunternehmen anberaumt, sagt er.

Die ob ihrer Höhe oft kritisierten Eintrittspreise – Erwachsene zahlen derzeit neun Euro – hält Marketingexperte Linke, der in schöner Bremer Kaufmannsmanier nicht gern über Geld spricht, indes für angemessen: „Das ist überhaupt nicht zu teuer.“ Familien mit Kindern oder Gruppen kämen schließlich viel billiger weg – was seiner Meinung nach in der Vergangenheit nur nicht ordentlich publik gemacht worden sei und sich jetzt ändern soll.

Dem Bauressort und dem Botanika-Aufsichtsrat hat Linke seinen Konzeptions- und Wirtschaftsplan inzwischen vorgelegt. Damit niemand behaupten kann, es würden reine Luftschlösser gebaut.

Ullrich Mickan, der Vorsitzende der Freunde des Rhodo-Parks, schätzt Linke übrigens als „Pragmatiker“, der den „Park als Ganzes“ betrachte – zum Wohlwollen des Vereins. Die Veranstaltungsreihe zur 100-Jahr-Feier wolle man jedenfalls gemeinsam organisieren. Gespräche hierzu gab es schon. dab