Tiefgekühlte Schätze im Permafrost: Analoges Archiv für digitale Daten
In der „Kohlengrube Nummer 3“ auf der Arktisinsel Spitzbergen entsteht ein Datenarchiv. Die Daten sollen in 1.000 Jahren noch lesbar sein

In 300 Meter Tiefe in einem speziell ausgebauten Stollen der 1996 stillgelegten „Kohlengrube Nummer 3“ war dort im vergangenen Jahr das World Arctic Archive feierlich eingeweiht worden. Bislang international weniger bekannt als die vor zehn Jahren in einem anderen Teil der Grube im gleichen Platåberget nahe der Inselhauptstadt Longyearbyen eröffnete Samenbank, das Svalbard Global Seed Vault. Sollen in diesem die genetischen Ressourcen von Nutzpflanzen aus aller Welt archiviert werden, sind es in dem neuen Lager – Daten. Die dahinterstehende Idee ist die gleiche: Sicherheitskopien für den Fall aufzubewahren, dass die Originale beschädigt oder unbrauchbar werden sollten.
Saatgut wie Daten haben ein gemeinsames Problem: das Altern. Müssen gealterte Samen auch aus den Kühltruhen des Global Seed Vault regelmäßig ersetzt werden, um keimfähig zu bleiben, sollen die Daten im World Arctic Archive auch in 500 oder gar 1.000 Jahren noch lesbar sein. Dazu müssen sie erst einmal „in Form gebracht werden, denn es bringt ja gar nichts, Festplatten, DVDs oder andere digitale Lagerungsmedien einfach in Container zu packen und dort abzustellen“, betont Maria Borkenhagen, Informationschefin von „Piql“.
Dieses norwegische Unternehmen Piql hat sich auf die Langzeitarchivierung digitaler Daten spezialisiert und betreibt jetzt zusammen mit einer norwegischen Staatsfirma das Datenarchiv auf Spitzbergen. „Die Herausforderung ist, dass global immer mehr Informationen digital gelagert werden, die Technologien zur Datenlagerung aber eine extrem kurze Lebensdauer haben“, sagt Borkenhagen. Nicht nur weil die Lagerungsmedien rasch altern, sondern es auch stetig neue Hardwarelösungen gebe, müssten wichtige Daten regelmäßig auf neue Datenträger überführt werden. Was nicht nur kostenintensiv sei, sondern auch das Risiko von Datenverlusten erhöhe.
Umgewandelt in QR-Codes
Die Lösung für digitale Datenlagerung, die Piql in Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen wie dem Fraunhofer-Institut entwickelt hat, ist analoge Speichertechnik: Film. „Film ist ein optisches Medium, also wandeln wir Dateien jeder Art von Daten, seien es Dokumente, PDFs oder JPGs, in hochauflösende QR-Codes um“, erläutert Piql-Direktor Rune Bjerkestrand die Methode: „Das visuelle Speichermedium Film wird so zu einem digitalen.“
Zu Beginn jeder Filmrolle befinden sich selbsterklärende Instruktionen sowohl in computerlesbarer, als auch in menschenlesbarer Fassung mit allen notwendigen Informationen für die Dekodierung der Daten. Deren jederzeitige Wiederherstellung soll damit möglich werden, Menschen also auch in ein paar hundert Jahren in der Lage sein, zu lesen und zu sehen, was hier archiviert wurde, sagt Bjerkestrand: „Im Prinzip genügen erst einmal eine Lichtquelle und ein Vergrößerungsglas.“
Das trockene und kalte unterirdische Grubenmilieu auf Spitzbergen sei ein perfekter Lagerplatz für die in speziellen Boxen gesicherten Filme, zählt der Piql-Chef weitere Vorteile auf. Alle Daten lagerten außerdem offline, sodass anders als bei Cloud-Lagerung nicht die Gefahr bestehe, dass sie gehackt, gelöscht oder geändert werden können. Die norwegische Souveränität über die 1.000 Kilometer vom Nordpol entfernt liegende Inselgruppe, die international als demilitarisiert anerkannt ist, verspreche darüber hinaus größtmögliche politische Stabilität.
Und weil Piql auch ein kommerzieller Anbieter ist, der seinen Firmenkunden garantiert mit seiner „trueWORM“-Technik – „write once, read many“ – verlorene Originaldaten bei Bedarf in kürzest möglicher Frist wiederherzustellen und zu überspielen, träumt man auf Spitzbergen bereits, „die wichtigste Informationsbank der Welt“, so die Lokalzeitung Svalbardposten, könnte zu einem künftigen neuen Standbein für die Wirtschaft der Insel werden.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?