Tiefensee will Infrastruktur ausbauen: Neuer Verkehr auf alten Wegen
Verkehrsminister Tiefensee will Straßen, Schienen und Kanäle ausbauen, um den stetig zunehmenden Güterverkehr zu bewältigen. Umweltschützer kritisieren das Konzept.
BERLIN taz Mit einem neuen Logistikplan will Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) den stark wachsenden Güterverkehrsströmen gerecht werden. Erstmals will der Minister auch Maßnahmen der Verkehrsvermeidung und besseren Auslastung der Verkehrswege in den Vordergrund stellen. Einen Strategiewechsel sieht der Plan jedoch nicht vor; er setzt auf den Ausbau von Straße, Schiene und Schifffahrtswegen. Den Plan, der 39 Einzelmaßnahmen umfasst, will Tiefensee noch in diesem Jahr ins Bundeskabinett einbringen. Umweltschützer kritisierten Tiefensees Vorstellungen.
"Der Güterverkehr wird in den kommenden Jahren stark anwachsen", sagte Tiefensee am Freitag in Berlin. "Wenn die Güter im Stau stecken bleiben, kommen auch die Menschen nicht mehr voran." Künftig müssten die verschiedenen Verkehrsträger effizienter eingesetzt und miteinander verknüpft werden, so der Minister. Dafür müsse aber die Infrastruktur weiter ausgebaut werden. Tiefensee fordert, die Verkehrsinvestitionen um eine Milliarde Euro jährlich aufzustocken. Damit sollen unter anderem neue Schienenstrecken und die Verbreiterung von stark befahrenen Autobahnen finanziert werden.
Die Autobahnmaut will Tiefensee flexibilisieren, aber nicht erhöhen. Die Idee: Wer nachts fährt, wenn auf den Straßen wenig los ist, soll weniger bezahlen. Auch sollen Nutzer stark beanspruchter Strecken stärker zur Kasse gebeten werden als Fahrer, die in dünn besiedelten Regionen unterwegs sind. Zudem will sich der Minister für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen der rund 2,5 Millionen Beschäftigten der Logistikbranche einsetzen. Derzeit herrsche dort vielerorts Lohn- und Sozialdumping, vor allem durch den Einsatz von Leiharbeitern, kritisierte Ver.di-Bundesvorstandsmitglied Andrea Koscis.
Der Grünen-Verkehrsexperte Winfried Hermann warf Tiefensee vor, viele nette Ideen, aber kein Gesamtkonzept zu haben. Das üppige Autobahnnetz in Deutschland müsse nicht ausgebaut, sondern besser genutzt werden. "Wer die Anhebung der Maut scheut, wird scheitern."
Auch Werner Reh, Verkehrsexperte beim Bund für Umwelt und Naturschutz, kritisierte Tiefensees Vorstellungen. "Der Plan bringt zu wenig für die Senkung der CO2-Emissionen im Güterverkehr und nutzt die technischen Effizienzreserven zum Spritsparen nicht aus." Die Maut müsse die vollen Umweltkosten der Fahrzeuge einbeziehen. Nur so könne der Lkw-Verkehr reduziert werden. Als Transitland Nummer eins in Europa müsse Deutschland hier Maßstäbe setzen.
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