Tiefensee gegen Mehdorn: Bahn wird vielleicht doch verkauft
Eigentlich sollte der Börsengang auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Doch das Kanzleramt dementiert dies.
BERLIN taz Die Bundesregierung hat offenbar keine einheitliche Haltung zur geplanten Teilprivatisierung der Bahn. Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (CDU) widersprach am Mittwochabend Meldungen, dass das Kabinett sich über eine Absage des Börsengangs für diese Legislaturperiode einig sei: "Einen solchen Beschluss gibt es nicht." Zwar sei es richtig, dass der Börsengang wegen der Finanzmarktkrise verschoben werde. Der Termin sei aber offen. "Sollte sich die Situation an den Finanzmärkten verbessern, könnte der Börsengang noch in dieser Legislaturperiode stattfinden", teilte de Maizière mit.
Der Kanzleramtsminister widersprach damit Aussagen von Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee und Finanzminister Peer Steinbrück (beide SPD). Tiefensee hatte am Mittwoch im Verkehrsausschuss erklärt, die Regierung sei sich einig, dass es in dieser Legislaturperiode - die im September 2009 endet - keinen Börsengang gibt. Steinbrück hatte zudem darauf verwiesen, dass im Bundeshaushalt 2009 keine Privatisierungserlöse aus dem Bahnverkauf eingeplant würden.
Der Machtkampf zwischen Verkehrsminister Tiefensee und Bahnchef Hartmut Mehdorn erreicht mit den aktuellen Äußerungen einen neuen Höhepunkt. Die vom Minister verkündete längerfristige Verschiebung des Börsengangs wird als klarer Affront gegen Mehdorn gewertet. In unternehmensnahen Kreisen wird bereits über einen Rücktritt des Bahnchefs spekuliert. Wenn absehbar sei, dass Mehdorn sein zentrales Projekt - die Privatisierung - nicht mehr erreiche, werde er hinschmeißen, heißt es.
Offiziell reagierte der Bahnvorstand bisher nicht auf die jüngste Debatte über den Börsengang. Die aktuellen Quartalszahlen, die Wachstum bei Umsatz, Gewinn und Passagierzahlen zeigen, kommentierte Bahnchef Mehdorn allerdings mit der Bemerkung, der "Erfolgskurs" des Unternehmens werde auch "in unseren aktuellen Gesprächen mit potenziellen Investoren honoriert". Der Bahnkonzern steigerte den Umsatz in den ersten neun Monaten dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 9 Prozent auf 25,2 Milliarden Euro; der Gewinn erhöhte sich um 3,7 Prozent auf 2,06 Milliarden Euro.
Das privatisierungskritische Bündnis "Bahn für alle" sieht diese Zahlen allerdings kritisch: "Die einseitige Gewinnausrichtung führt zu Einsparungen an falscher Stelle." Im Mittelpunkt sollten nicht die Interessen potenzieller Aktionäre, sondern der Fahrgäste stehen. MKR
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