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Thronwechsel in den NiederlandenWillem der Letzte

Am 30. April tritt Königin Beatrix ab, Sohn Willem wird neuer Regent. Nicht alle Niederländer werden in den Jubelchor einstimmen.

Königslied und Krönungstorte: Der Devotionalienhandel für die Zeremonie am 30. April läuft auf Hochtouren. Bild: dpa

„Königin Beatrix. Den Haag“ steht auf dem Kuvert. Es ist etwas überdimensioniert, 100 mal 50 Zentimeter groß und von diesem unverwechselbaren Dunkelblau mit leichtem Violettstich, das alle steuerpflichtigen Niederländer kennen.

Jeder scheint an diesem Morgen über die Kuverts zu reden, in der S-Bahn, im Radio, denn es ist „blauer Freitag“ und damit die letzte Möglichkeit, zum Monatsende die jährliche Steuererklärung einzureichen.

Anjo Clement ist ein aufmerksamer älterer Herr. Um auch die Königin an den blauen Freitag zu erinnern, ist er in aller Frühe nach Den Haag gekommen. Jetzt läuft er mit diesem übergroßen Umschlag, ordnungsgemäß addressiert an die Steuerbehörde, durch den Wald in Richtung Huis ten Bosch, Beatrix’ Wohnsitz.

Monarchie

Oranjes: Seit 1813 stellt das Haus Oranje-Nassau in Erbfolge das niederländische Staatsoberhaupt. Königin Beatrix regiert seit 1980.

Einfluss: Das Staatsoberhaupt unterzeichnet jedes neue Gesetz und hat formell den Vorsitz im Staatsrat, der die Regierung berät. Die Vermittlerrolle bei der Regierungsbildung wurde dem Monarchen 2012 vom Parlament genommen. Premier Rutte regte an, diesen Schritt rückgängig zu machen.

Pro und Contra: Nach einer Langzeituntersuchung sind 75 Prozent der Bevölkerung für die Monachie und 15 Prozent dagegen. Der Meinungsforscher Maurice de Hond geht von jeweils 20 Prozent Befürwortern und Gegnern aus, die Mehrheit sei indifferent.

Lied und Leid: Schlagerproduzent John Ewbank hat ein "Königslied" für die Zeremonie geschrieben. Ob des erbärmlichen Textes ergoss sich eine Welle an Spott über Ewbank, der daraufhin das Lied zurückzog. Nun soll es doch gesungen werden. (tm)

Jogger ziehen vorbei, eine Kitagruppe in blauen T-Shirts wartet mit großen Augen vor dem schmiedeeisernen Tor, und dann steht Clement vor einem jungen Polizisten: „Wir haben hier eine Steuererklärung für die Königin“, sagt er ernsthaft. „Die muss heute jeder abgeben, und sie doch auch, eigentlich?“

40 Millionen Subvention

Es ist dieses „eigentlich“, das ihn an den Palast bringt. Natürlich weiß er, dass das niederländische Königshaus, mit knapp 40 Millionen Euro an Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln das teuerste in Westeuropa, von der Steuerpflicht befreit ist. Clement ist Vorsitzender der republikanisch gesinnten Nieuw Republikeins Genootschap (NRG).

Dass Beatrix und ihre Familie wie alle anderen Bürger Steuern zahlen sollen und ihre Bezüge gesenkt werden, fordert die NRG seit ihrer Gründung vor 15 Jahren. Dies sind die Nahziele. Langfristig wollen sie der „Herrschaft des Hauses Oranje-Nassau ein Ende machen“, steht in ihrem Manifest.

An diesem Morgen steht Anjo Clement nicht allein vor dem Tor. Begleitet wird er von einem schlaksigen jungen Mann mit schwarzer Stoppelfrisur. Er trägt ein Jackett und einen lässig gebundenen Schal um den Hals, und in einem Moment, in dem die Wache nicht hinsieht, zieht er mit geübtem Griff einen Aufkleber aus der Tasche. Im nächsten Moment ziert das rot umrandete Logo mit durchgestrichener Krone ein Messingschild neben dem Tor. Der Mann zückt sein Handy, macht ein Foto und mit ein paar Daumenbewegungen hat er es gepostet. Ein Grinsen hängt in seinen Mundwinkeln. Der Tag fängt gut an.

Es ist 2013

Gegen die Monarchie, sagt Gijs Peskens, ist er eigentlich schon, solange er sich erinnern kann. Aber in den letzten Monaten widmet er sich verstärkt einem Netzwerk namens „Het is 2013“ („Es ist 2013“). Die überwiegend jungen Mitglieder wollen die Thronübergabe am 30. April nutzen, um in der Hauptstadt zu protestieren. Weil sie ein Königshaus „nicht mehr zeitgemäß“ finden, fordern sie ein Referendum über dessen Zukunft. IT-Spezialist Peskens, 27, ist einer der Köpfe der Bewegung.

Es ist eine eigentümliche Allianz, die da in diesem Frühjahr zueinanderfindet, und deren Vertreter sich nun im Wald vor dem Schloss treffen: auf der einen Seite die etablierten Republikaner, meist über 50 und gut situiert, auf der anderen die junge, social-media-affine Protestbewegung.

Fast scheint es, als wollten sie in Beatrix’ letzten Monaten auf dem Thron auf ironische Weise unterstreichen, was die Anhänger des Königshauses so oft zu seiner Verteidigung vorbringen: dass die Oranjes das Land vereinen, dass sie Zusammenhalt bieten und Identifikation stiften, gerade in den politisch turbulenten Jahren, die hinter den Niederlanden liegen. Und nun wird ausgerechnet die Thronübergabe zum Amalgam zweier Gruppen, die zuvor kaum Berührungspunkte hatten.

In der Welt von Gijs Peskens gibt es Computertüfteleien, Nächte vor dem Bildschirm, Kaffeeflecken auf dem Taschenkalender und viel Aktivismus. Er ist Mitglied der Piratenpartei und lebte als Occupy-Aktivist monatelang im Amsterdamer Camp. „Schon als Achtjähriger habe ich mich über Ungleichheit geärgert“, erzählt er, als er und Anjo Clement später ihre Aktion in einem Ausflugscafé besprechen. „Das betraf Armut in Afrika ebenso wie die Monarchie.“

Muse Joanna

Clement, der ganz seriös mit dunklem Mantel und Hut daherkommt, war im Vergleich dazu ein Spätberufener. Mit Anfang 20 gründete er an der Universität von Tilburg eine Studentengewerkschaft und war überhaupt viel mit der Frage nach den Machtverhältnissen beschäftigt. „Da landet man automatisch bei den Oranjes.“

30 Jahre lang hat Clement für die Stadtverwaltung von Den Haag gearbeitet. Unter anderem entwarf er eine Imagekampagne, um das Ansehen der Stadt, die das Jugoslawien-Tribunal beherbergt, auf dem Balkan zu verbessern. Auch als Pensionär will Clement von schwierigen Missionen nicht die Finger lassen. Neulich schrieb er einen Brief an alle Abgeordneten: Einem König, der nicht demokratisch gewählt ist, seien sie gar nichts schuldig.

Dass nun der seriöse Clement und der aktivistische Peskens zusammensitzen, hat mit einer Frau zu tun, die Gijs Peskens “unsere Muse“ nennt und die im Januar als „Studentin Joanna“ bekannt wurde. Wenige Tage nachdem die Königin ihren Abschied verkündet hatte, besuchte sie Utrecht. Eine Gruppe Menschen erwartete Beatrix an einer Absperrung, als Joanna zufällig vorbeikam. Spontan besorgte sie sich ein Stück Pappe und bemalte sie mit den Worten: „Es ist 2013! Weg mit der Monarchie!“

Keine Minute später wurde sie von zwei Polizisten aus Sorge um die öffentliche Ordnung abgeführt. Nach einem Talkshow-Auftritt war die Studentin auf dem besten Weg zum Medienstar, doch dann trat die 23-Jährige auf die Bremse. Heute hält sie sich am Rand der Protestbewegung, die sich seither nach ihrem Karton „Het is 2013“ nennt.

Für die traditionelle republikanische Bewegung wurde der Fall Joanna zum Weckruf. Endlich schien die Frage nach der Monarchie eine Rolle zu spielen, und der Zustrom der meist studentischen Aktivisten wirkte wie eine belebende Infusion. An einem Frühjahrsabend treffen sich alle Gruppierungen in einem kleinen Kellerlokal im Zentrum von Utrecht: die etablierten Republikaner, Vertreter der „Kritischen Studenten Utrecht“, einige ältere Anarchisten und der niederländische Zweig der Menschenrechtsgruppe Hijos. Vor der Versammlung teilen sie Flugblätter aus: Sie fordern, Jorge Zorreguieta, den Vater der neuen Königin Máxima, vor Gericht zu stellen, der zur Zeit der argentinischen Junta Staatssekretär für Landwirtschaftschaft war.

14 Abgeordnete dagegen

Dann betritt Gijs Peskens das Podium. „In einer Demokratie müssen alle Ämter allen zugänglich sein“, beginnt er. Und dann ist da wieder dieses linkische Grinsen. „Wenn ich will, muss ich auch Staatsoberhaupt werden können.“ Lachen im Publikum. Dann erläutert er die nächsten Schritte: Während der offiziellen Zeremonie bei der Thronübergabe soll in kleinen Gruppen protestiert werden, da in der näheren Umgebung schon vier Personen als unerlaubte Demonstration gelten. Ein anarchistischer Blogger stimmt ihm zu.

„Wir müssen uns trauen, die Oranjes auszulachen und öffentlich zu zeigen, wie lächerlich sie sind. Ich hoffe auf lustige Szenen am 30. April.“ Und dann fügt er hinzu: „Auf dass die antimonarchische Opposition zum letzten Mal in einen Bierkeller passt.“

Ein paar Wochen später sitzen Gijs Peskens und Anjo Clement auf dem Rückweg vom Palast im Auto und erörtern den Stand der Dinge. „Hast du gehört? Der Chef der Sozialdemokraten will, dass die Königin Steuern zahlt – mittelfristig“, sagt Peskens. Auch Clement hat gute Nachrichten. Vier weitere Abgeordnete wollen Willem-Alexander den Eid verweigern. „Damit sind es insgesamt 14.“

Ob das die Folge seines Briefes ist, vermag er nicht zu sagen. Immerhin, so der alte Republikaner, sind das alles Zeichen dafür, dass sich die Dinge ändern. „Ich denke, dass Willem wirklich der letzte König sein wird.“ Sein junger Mitstreiter stimmt zu. Dann steigt Gijs Peskens aus und fährt mit dem Zug weiter. Doch zuvor klebt er vor dem Bahnhof noch ein paar Sticker mit durchgestrichener Krone an.

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6 Kommentare

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  • T
    tongenerator

    Wenn eine Familie das ganze Spektakel mit Hofschranzen, Paparazzi und Security rund um die Uhr auf sich nehmen will, dann bitteschön. Dann erwarten wir allerdings auch als Gegenleistung keine pöbelnden oder pinkelnden Prinzen, anständige Aus- und Allgemeinbildung sowie einwandfreies Benehmen gegenüber jedem und in jeder Situation. Verpflichtung auf die Verfassung und den Rechtstaat inklusive. Ich meine gestern Ähnliches in den Niederlanden gehört und gesehen zu haben ... :-))

  • N
    Nachdenklich

    Mir ist jedenfalls eine Monarchie lieber als Ämtergekungel um einen Präsidentenposten, der doch nur der Raubgier von Parteien zum Opfer fällt. Imbezile wird es in beiden Fällen geben.

  • JB
    Jim Becker

    Aber Hallo!

    Monarchie und Demokratie sind also Gegensätze?!

    Das sehe ich nicht so!

    Die Monarchie ist eine gute Sache!

    1.Die Königin hat jahrelang Ihr Land sowohl im In- als auch im Ausland mit Anstand und Würde vertreten!

    Besser als unser Bundespräsident Gauck es je gekonnt hätte!

    2. Die Königin ist (im Gegensatz zu "demokratischen" Politikern) nicht einfach so austauschbar! Sie ist eine Institution mit der sich Millionen Menschen identifizieren können! Kann sich einer von euch taz'lern mit Merkel/Gauck identifizieren?

    3. Die Königin bestimmt wer ihr Nachfolger wird! In einer Monarchie regiert nicht derjenige der am besten lügt, sondern es wird durch Geburt bestimmt wer regiert! Außerdem müssen sich die Monarchen immer wieder beweisen und zeigen:

    WIR SIND NÜTZLICH FÜR UNSER LAND UND UNSER VOLK!

    Diese Beweise müssen Merkel & Co. nicht erbringen und könnten es auch gar nicht!

    4. die Königin ist unabhängig vom Parlament!

    5. Die Niederländer sind mit überwältigender Mehrheit FÜR DIE MONARCHIE!

    Solltet Ihr taz'ler nicht diesen Wunsch der Mehrheit respektieren? Immerhin geht es in einer Demokratie doch um Wahlen/Wollen, oder?

    Und da die Mehrheit der Niederländer die Monarchie gut findet, solltet Ihr diesen Mehrheitswillen doch akzeptieren, nicht wahr?

    Würdet Ihr das nämlich nicht tun, wärt Ihr doch keine richtigen Demokraten, oder?

    Dann wärt Ihr nur ein paar verbitterte Linke, die es nicht ertragen können wenn sich ein Nachbarvolk freut, seiner Königin für 33 wunderbare Jahre dankt und dem Sohn alles Gute wünscht!

    Meine Freunde vom "Orden der Patrioten" und ich jedenfalls wünschen dem niederländischen Königshaus alles Gute und der Beatrix einen gesegneten Ruhestand.

    Und wenn es nach uns ginge würde in Deutschland längst die Monarchie wiederhergestellt!

    Denn sein wir erlich: Den Niederländern (und auch den Briten) geht es viel besser als uns; nicht zuletzt dank ihrer Monarchie.

    Und da Ihr in euren Artikeln die positiven Eigenschaften der Monarchie nicht erwähnt, tue ich es eben hier:

    1.

    Die Verbindung des politischen und gesellschaftlichen Elements, hat doch der Monarch, obwohl primär ein gesellschaftliches Haupt, die Macht, in das staatliche Leben einzugreifen. Als Theodore Roosevelt Kaiser Franz Joseph fragte. was er denn in diesem fortschrittlichen 20. Jahrhundert als seine wichtigste Aufgabe betrachtete, antwortete ihm der Monarch: „Meine Völker vor ihren Regierungen zu beschützen.“

     

    2.

    Der Monarch ist kein Parteimann. Er wird von niemandem gewählt - auch nicht vom bösen Nachbarn, den man darob zürnen könnte. Durch den biologischen Prozeß ist er einfach da und ist Zu-Fall wie die eigenen Eltern.

     

    3.

    Er wird von Kindesbeinen an für seinen Beruf vorbereitet und ausgebildet. Er ist ein Fachmann: die Koordination ist sein Metier. Das erste Recht eines Volkes, wie Peter Wolf sagte, ist gut regiert zu werden. Self-Government is better than good government? Keineswegs, denn in der Praxis gibt es keine Selbstregierung, sondern nur Mehrheitsherrschaft.

     

    4.

    Da er sich die Krone nicht verdient hat, neigt er auch weniger zum Größenwahn als der erfolgreiche Karrierist. Die Religion zeigt ihm oft seine Nichtigkeit (Fußwaschungszeremonie, Begräbnisformel der Habsburger).

     

    5.

    Als dritter Faktor (neben dem gesellschaftlichen und politischen) figuriert der religiöse. Die Krönung ist ein Sakramentale. Die Monarchie lädt zur Perfektion ein - zur geistigen, wie auch zur seelischen. Die Zahl der heiligen Könige, Kaiser und ihrer Frauen ist groß.

     

    6.

    Die Wahrscheinlichkeit einer überdurchschnittlichen geistigen Begabung auf erbbiologischer Grundlage ist gegeben. In den Dynastien, die aus einem Aggregat von auserlesenen Familien bestehen, werden spezifische Talente erhalten und weitergegeben. Oft allerdings begegnen wir einer Genialität, die in die Nähe des Wahnsinns gerät; in der Vergangenheit ein Problem, heute hingegen von der Medizin durchschaut. Der verrückte Monarch wird heute frühzeitig von den Regierungsgeschäften ausgeschlossen.

     

    7.

    Die Monarchie hat einen übernationalen Charakter. Nicht nur sind meist Mutter, Frau, Schwäger und Schwiegerkinder „Ausländer“, sondern die Dynastien selbst in der Regel ausländischen Ursprungs. So waren im Jahre 1909 nur die souveränen Herrscher von Serbien und Montenegro lokaler Herkunft. Die Dynastien sind auch rassisch gemischt und stammen u. a. auch von Mohammed und Dschinghis Khan ab. Dies und ihr übernationaler Charakter geben ihnen einen doppelten psychologischen Vorteil: die Chance, andere Völker (und Herrscherfamilien) besser zu verstehen und auch zum eigenen Volk eine objektive Distanz einzuhalten.

     

    8.

    Die Monarchie ist elastischer als alle anderen Regierungsarten; sie läßt sich leicht mit anderen Regierungs- und Sozialformen kombinieren. So vereinigt die klassische gemischte Regierungsform elitäre und demotische Elemente mit einer monarchischen Spitze. Aber man könnte sich auch ein sozialistisches Königstum vorstellen und selbst ein kommunistisches Kaiserreich - das wir ja in der Herrschaft der „Inkas“ sahen. Tatsächlich ist, wie Treitschke hervorgehoben hatte, die Monarchie der Proteus unter den Staatsformen.

     

    9.

    Die Monarchie ist eine patriarchale, unter Umständen aber auch eine patriarchal-matriarchale oder rein matriarchale Institution. Hier werden tiefste Gefühle unserer familistischen Natur angesprochen. Das Herrscherpaar ist zugleich ein Elternpaar. Zudem ist die Monarchie schon aus diesen Gründen dem Patriotismus, die Demokratie dem Nationalismus zugeordnet. Die Demokratie steht für vaterlose Brüderlichkeit, die logisch in Big Brother ihren Kulminationspunkt findet.

     

    10.

    Die Monarchie ist eine organische Regierungsform, in der die Vernunft sich mit der Gefühlswelt harmonisch verbinden kann. In dieser Synthese entsteht Legitimität, die ja nicht ein rein juridischer Begriff sein kann. Die Monarchie ist keine „ausgedachte“, künstliche, arithmetische Regierungsform, sondern eine im engsten Sinne des Wortes „natürliche“, der menschlichen Natur angemessene. Der Zeugung und der Geburt stehen die plakatierten Wände und die Computernächte nach den Wahlschlachten gegenüber.

     

    11.

    Auch das Prinzip des rex sub lege machte die Monarchie zur arché , nicht zum krátos. Selbst in der Verfallsform der absoluten Monarchie hatte ein „Autokrat“ wie Ludwig XIV. nicht einen Bruchteil der Gewalt unserer Parlamente. Er hätte nie die Macht gehabt, eine jährliche Einkommensteuerbekenntnis, die allgemeine Wehrpflicht oder ein Alkoholverbot zu erzwingen. Selbst unter ihm gab es corps intermediaires.

     

    12.

    Die weltanschaulich-ideologische Einheit, ohne die (laut Harold Laski) der Parlamentarismus nicht bestehen kann, ist in der Monarchie viel weniger notwendig - daher auch die geistige Freiheit potentiell eine viel größere.

     

    13.

    Die Möglichkeit der Bestechung eines Monarchen ist eine besonders geringe. Und die Plutokratie (dank der Präsenz anderer Werte) sehr unwahrscheinlich.

     

    14.

    Unwahrscheinlich ist auch von Seiten des Monarchen die Popularitätshascherei, das Schmeicheln des Volkes, größer hingegen die Möglichkeit, dem Volk die Wahrheit zu sagen, da die Problematik seiner Wahl oder Wiederwahl nicht besteht.

     

    15.

    Vor allem aber ist es die Aufgabe des Monarchen unpopuläre Minderheiten, die im demokratischen Rahmen rettungslos verloren sind, zu beschützen.

     

    16.

    Echter Liberalismus (Liberalität) hat eine viel größere Chance unter der Monarchie als unter der Demokratie, die eine totalitäre Wurzel hat. Freiheit und Ungleichheit sind ebenso verbunden wie Gleichheit und Zwang.

     

    17.

    Der christliche Monarch trägt eine Verantwortung vor Gott. Das ist eine unvergleichlich größere Verantwortung als die vor Völkern oder deren Vertretern. Demokratie jedoch ist Verantwortungslosigkeit: wer einen unterschriftslosen Zettel in eine Urne wirft, trägt wohl keine irdische Verantwortung.

     

    18.

    Monarchen sind „öffentliches Eigentum“: sie gehören ihren Untertanen. Das ist ein wechselseitiges Verhältnis. Sei sind auch klassenlos, denn sie sind weder Adelige, noch Bürger, noch Arbeiter oder Bauern. Sie gehören „soziologisch“ ideell zu einer internationalen Sondergruppe. So sind sie äquidistant zu allen Klassen und Ständen.

     

    19.

    Die Monarchen sind berufen, Staatsmänner und nicht bloß Politiker zu sein. Sie müssen viel weiter denken als bis zur nächsten Wahl. Ihnen muß das Schicksal ungeborener Generationen am Herzen liegen. Gescheiterten Monarchen wurden die Köpfe abgeschnitten, gescheiterte Politiker ziehen sich ins Privatleben zurück und schreiben ihre Memoiren.

     

    20.

    Ein monarchisches System kontinentaler Natur ermöglicht eine bessere Atmosphäre gegenseitigen Vertrauens der Länder, da das ewige Schaukelspiel der Demokratie alle internationalen Beziehungen verunsichert. Sagte der Schweizer Jacob Burckhardt: „Seitdem die Politik auf innere Gärungen der Völker gegründet ist, hat alle Sicherheit ein Ende.“ Die politische Version des „perfiden Albions“ tauchte auf als die Wählerei - Tory- und Whig-Kabinette wechselten einander ohne Warnung ab - das Vertrauen in England am Kontinent untergrub.

     

    21.

    Die großen Staatsmänner Europas waren in der großen Mehrzahl entweder Monarchen, von Monarchen ernannte Männer, Aristo-Oligarchen oder Produkte der Revolutionen und schweren Krisenzeiten, die den Brutalsten, Skrupellosesten und Schlauesten an die Spitze kommen ließen - Leute wie Napoleon, Hitler, Lenin, Stalin, Mao, die aber unweigerlich ein Meer von Blut und meist keine bleibende Ordnung hinterließen.

     

    22.

    Die Monarchie verbürgt vor allem die Kontinuität. Man weiß wer wem nachfolgen wird. Die Einführung des Sohns, des Neffen, der Tochter in die Regierungsgeschäfte wird garantiert.

     

    23.

    Die Permanenz verbürgt auch eine größere Erfahrung. Die meisten demokratischen Verfassungen, die sich vor der persönlichen Macht fürchten, verbieten eine zweite oder dritte Amtsperiode. Wenn endlich der politische Karrierist (etwa ein ex-Hemden- und Krawattenverkäufer á la Truman) angefangen hat, richtige Erfahrungen zu sammeln, wird er abserviert, Und dann kommt ein neuer Amateur in die Regierungsspitze. So kann man nicht einmal einen größeren Kaufladen, geschweige denn eine Großmacht leiten. (Man komme da uns nicht mit Experten: welcher Laie kann widersprüchliche Expertisen koordinieren?)

     

    24.

    Die Monarchie ist mit dem Christentum oder zumindestens einer ursprünglich christlichen Kultur durch ihren patriarchalen Charakter in einem harmonischen Einklang: das Vaterbild wurde durch Gott-Vater, den Heiligen Vater, die Kirchenväter, dem Pater Patriae , dem leiblichen Vater und Großvater bestimmt. Dazu bemerkte Abel Bonnard: „Der König war Vater seines Volkes, denn jeder Vater war König in seiner Familie.“ Dieser psychologische (mehr als theologische) Aspekt gilt für alle genuin christlichen Glaubensgemeinschaften, auch für jene, die die politische der kirchlichen Hierarchie gleichgesetzt oder mit ihr verkoppelt haben. Doch die Autorität kommt stets von oben. Und wahrhaft gut regieren kann man nur mit Hilfe der Autorität, einer endogenen Kraft, und nicht durch Furcht, einer exogenen. Wie schon Joseph de Maistre sagte, können Millionen von Menschen nur durch Religion oder Sklaverei regiert werden, also durch die innerlich rezipierte Autorität oder durch die zitternde Angst erzeugende Gewalt. Doch die Demokratie ist mit der Autorität nur mühevoll zu vereinen und deshalb auch nicht leicht mit dem Rechtsstaat.

     

    25.

    Der höchste christliche Stellenwert der Monarchie liegt jedoch in ihrem Appell an die Liebe. Eine Liebesgemeinschaft mit dem Regenten ist jedoch im Zahlenzauber der Demokratie nicht denkbar, da deren Wahlen jedesmal in Siegen und Niederlagen, Freudenausbrüchen und Enttäuschungen, Triumph und Zorn enden. Das ahnten wahrscheinlich auch Augustinus und Franz von Baader, als sie von der unersetzbaren Harmonie zwischen der Liebe und dem Dienen schrieben. Nur in der Liebe ist das Dienen kein Schmerz und keine Last. Lästige Politiker aber setzt man durch den Stimmzettel wie aufsässige Domestiken wieder an die Luft, denn sie sind ja auch nicht vom Schicksal zugeteilte „Eltern“, sondern nur Mietlinge.

  • B
    Borstell

    Tja, vielleicht gibt es bald wieder eine Republik der Vereinigten Provinzen.

  • AJ
    Achim Jung, Santa Monica, CA

    Monarchisten sind nicht nur Masochsten, die sich lustvoll den angeblich "Blaubluetigen" unterwerfen, sondern auch Rassisten, welche Menschen auf Grund ihrer unveraenderbaren, biologischen Abstimmung lebenslaenglich in hoehere und niedrigere Kasten verbannen: Apartheid extrem!

  • S
    Siegfried

    Danke für diesen Artikel. Wer hätte gedacht, dass das Jahr 2013 noch so viel Monarchie in Europa hat. Und wenn die Leutchen nun mal daran hängen, dann sollten die royalen Herrschaften nun endlich auch ihren Beitrag zur Gemeinschaft in Form von Steuern entrichten.

    Was ist falsch daran?