Thomas Mauch hört auf den Sound der Stadt:
Einfach mal ganz grundsätzlich: Ein Lied ist eine Kunstform, die Musik und Text in einen direkten Zusammenhang bringt, letzterer wird gesungen. Deswegen ist es ein Lied.
Wobei man natürlich nirgends festgelegt hat, um was es da inhaltlich gehen soll.
Einigermaßen trotzig wird etwa auch „Wigwam“ als Song, als Lied, bezeichnet, mit dem Bob Dylan mal einen Hit hatte. Man tut dem Mann nicht weh, wenn man den Text dieses „Liedes“ eher als mittelkomplex bezeichnet, und das nicht nur deswegen, weil man es bei ihm doch mit einem Literaturnobelpreisträger zu tun hat. Was allerdings, als er „Wigwam“ geschrieben hat, noch nicht absehbar war. Der Text geht in etwa so: La da da dada da. Aber auch: La da da dada und jetzt di. Mittelkomplex eben.
Ich jedenfalls würde „Wigwam“ mit seinem hingebungsvollen Gesumme auch als einen Instrumentaltitel durchgehen lassen.
Dylan aber ist halt Dylan, das in die Popgeschichte hineingestellte Ausrufezeichen. Und so was schreit einfach nach einer Verwertung, bei der man auch gar nicht immer auf die doch manchmal lästigen Texte hören wollte. Dylan. Das geht durchaus sogar als Easy Listening. Besonders hübsch ist das, wenn so ein apokalyptisches Dylan-Liederl wie „A Hard Rain’s A-Gonna Fall“ zum flotten Fahrstuhlmusik-Instrumental wird, und da wird noch nicht mal ein La da da dada di gesummt. Irgendwie aber schmeckt so eine Annäherung an Dylan über die nur musikalische Schiene doch wie vielleicht andersherum der Versuch, die Werke von sagen wir mal Modern Talking oder Scooter streng literarisch und allein die Texte lesend auf die Bühne zu bringen.
Trotzdem: Im A-Trane widmet sich am Mittwoch das Andreas Hourdakis Trio Dylan rein musikalisch und textlos Dylan, und bei den Interpretationen der Band um den schwedischen Gitarristen darf man neben der Jazzfeinfühligkeit auch durchaus garagenrockige Annäherungen erwarten (Bleibtreustr. 1, 20.30 Uhr).
Mit einem Cover von „Wigwam“ hatte übrigens auch Drafi „Marmor, Stein und Eisen bricht“ Deutscher einen Hit. Bei ihm war das sogar wirklich ein Lied, weil er für sein „Weil ich dich lebe“ zur Dylan-Musik noch einen Text geschrieben hatte.
Und Drafi Deutscher war auch, wenn ich es recht überblicke, der einzige Berliner Rockstar vor Rio Reiser, der wiederum heute am Donnerstag seinen 70. Geburtstag feiern könnte. In der Wabe erinnert man am Abend daran mit einem Konzert mit Jan Preuß, den Stadtpiraten, Sonny Thet und dem einstigen Scherben-Drummer Funky K. Götzner (Danziger Str. 101, 20 Uhr, 26/18 €).
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