Themenläden und andere Clubs: Ein Prost auf die Elemente
■ Mit 40 geht gar nix mehr: Wie man in der Kahuna Lounge in Kreuzberg gehörige Portionen Lebensweisheit mitbekommt
Die Kahuna Lounge ist eine kleine, altmodische Bar in dem kleinen, altmodischen Stadtteil 10967 (bzw. Kreuzberg 61 für die Ewiggestrigen). Es ist dort sehr dunkel, so dass selbst unattraktive Menschen, wenn sie in manchen Ecken sitzen, zumindest eine Art interessantes Flair um sich aufbauen können. Es gehen aber trotzdem nicht nur unattraktive Menschen dort hin, sondern höchstwahrscheinlich Leute aus „dem Kiez“.
Und es gibt keinen Beleg dafür, dass im 61er-Kiez unattraktivere Menschen als woanders wohnen – eine größere Lehrer- und Ethnohörerdichte mag 61 ja haben, unbestritten, aber zum Beispiel Wilmersdorf schlägt es diesbezüglich um Längen. In die Kahuna Lounge gehen jedenfalls erfrischend wenig Ethnohörer, und ich wette, dass dort noch nie der „Buena Vista Social Club“-Sommerhit lief, der in meinem Freundeskreis nur „das Makrameestück“ heißt, weil der uralte Kubaner im Refrain immer von Makramee singt.
In die Kahuna Lounge gehen Kiezbewohner, männliche Berliner über 30, die sich schon ewig kennen, Leute, die gerne Surfmusik hören, und ich. Wobei nicht auszuschließen ist, dass ich zu einer Schnittmenge aus den eben differenzierten Gruppen gehöre. Vor allem gehe ich dort hin, weil ich dort nie das Makrameestück hören muss und weil ich als einzige Deutsche auf der Welt gerne amerikanisches Labberbier mit Schraubverschluss mag.
Neulich saß ich in dem kleinen, niedlichen Sommergarten vor der Kahuna Lounge und schraubte an meinem Bier, als ich unfreiwillig Zeugin eines Gesprächs zwischen drei Berlinern wurde, die sich schon ewig kennen.
Nach einer Schweigepause, in der sie nur vor sich hin starrten, sagte der eine unvermittelt: „Manchmal frag ick mir, ob wa alleene im Weltall sind oder ob dit allet nur ne Laune von nem höheren Wesen is.“
Die anderen beiden wurden munter und pflichteten ihm bei: „Jenau, und jetz ooch mit der Sonnenfinsternis, da merkt man doch ma wieder, wie stark dit allet is, die Elemente und so.“ Die drei stießen kurz auf die Sonnenfinsternis und die Elemente und höheren Mächte und so an, da meldete sich ein vierter Mann, der sich vorher genau wie ich unbemerkt auf einer Bankecke herumgedrückt hatte.
„Ich hab ssufällig euer Gespräch belauscht“, fing er in angeschlagenem Ostwestfälisch an, „und würde auch gerne wass dassu sagen.“ Die drei Berliner, grundlos tolerant, wie Berliner manchmal sein können, erlaubtem ihm, sich einzumischen. „Ich glaube“, sagte der Neue, „wenn ich höre, worüber ihr so philosophiert, dass ihr alle erss Anfang 30 seid. Denn ich kann euch einss sagen: Zwischen 30 und 40, da hört irgendwann der Spaß auf. Mit 40, da klappt nix mehr so, wie man will, man muss zu viel arbeiten, um sich über solche Sachen wie das Universum Gedanken zu machen. Und mit'm Sex ist auch nix mehr los. Überhaupt nix mehr.“
Die drei Berliner schienen ein bisschen betroffen. Der Ostwestfale hob langsam und vorsichtig, mit abgewinkeltem Ellenbogen sein Weizenbierglas an den Hals, so wie das nur Ostwestfalen können, die schon lange trinken. „Ich geh jetss rüber, bevor ich euch die Stimmung versaue“, sagte er dann, stand auf und schwankte über die Straße, zur Cocktail Bar.
Die Berliner guckten ihm nach, und der eine sagte ohne auch nur einen Funken Ironie in der Stimme: „So ne Lebensweisheit kriegste erst mit 40, gloob ick.“ Auch ich war ziemlich betroffen und brauchte zwei Tage angestrengten Ablenkens, um die Lebensweisheit des Ostwestfalen aus meinem Kopf zu kriegen. Glücklicherweise habe ich noch ein paar Stunden Zeit bis dahin, und vielleicht habe ich bis dahin ja auch einen Weg gefunden, um der schwierigen Zukunft zu begegnen. Jenni Zylka
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