Themenläden und andere Clubs: Nach Lust und schlechter Laune
■ Danach reicht es höchstens noch für RTL 2: Warum die Happy Hours ihre Tücken haben und nur Sinn im hohen Alter machen
Es gibt einen Spielfilm mit Woody Allen und Bette Midler als schon ewig verheiratetes Ehepaar, „Ein ganz normaler Hochzeitstag“ („Scenes from a mall“) heißt er. Darin laufen die beiden den ganzen Tag in einem riesigen amerikanischen Einkaufszentrum herum, streiten sich, was die Jahre hergeben, und konsumieren nach Lust und schlechter Laune. Und sie trinken unglaublich viel. Mittags schon ein paar Frozen Margheritas, zum Kaffee den einen oder anderen Tropfen und dann zum frühen Abend diverse Happy-Hour-Drinks.
Trotzdem geht es in dem Film nicht um Alkoholismus, sondern um Eheprobleme. In amerikanischen Filmen wird wie verrückt gebechert. Paul Newman trinkt als Literaturnobelpreisträger in „Der Preis“ lässig ein paar Martinis zum Frühstück, was zwar thematisiert wird, aber im Film kein wirkliches Problem darstellt: Trotz Suff löst er den Kriminalfall und kriegt die Dame (Elke Sommer).
Es gibt sogar echte Pro-Alkoholismus-Filme: George Cukors „Philadelphia Story“ bzw. das Remake „High Society“, bei dem die Botschaft lautet: Man muss sich auch mal richtig besaufen können, um ein netter Mensch zu sein. Und am nächsten Morgen trinkt man eine Prairie Auster gegen den Kater (ein Cocktail mit Worcester-Sauce und Ei).
Dabei kippen die Amerikaner laut Statistik gar nicht so viel, verschiedene europäische Völker sind ihnen da um einige feuchte Längen voraus. Aber wenn in französischen, deutschen oder englischen Filmen jemand vor meinetwegen 19 Uhr trinkt, dann gehört das meist zu einer bestimmten Milieubeschreibung oder ist zentrales Thema der Geschichte.
Ich verstehe ehrlich gesagt auch überhaupt nicht, wie die Amerikaner diese frühen Drinks verkraften können, zum Beispiel die Öl-Milliardäre in „Dallas“: Immer steht eine Whiskey-Karaffe aus geschliffenem Kristallglas irgendwo herum, und ständig, auch am helllichten Tag, werden dickwandige Gläser geschwenkt. Wie können die noch ihre Geschäftsabschlüsse, Fusionsgespräche und Kartellabsprachen tätigen?
Und es gibt keinen Detektivfilm ohne Spirituosen, dabei müssen doch gerade Detektive Herren ihrer Feinmotorik sein, beim Prügeln, Observieren und mit einer klitzekleinen Kamera Papiere fotografieren. Mir ist klar, dass das bei James Bond zum Beispiel dazugehört, ein Superagent kann eben alles, ist der Stärkste, kriegt jede Frau rum und säuft auch noch wie ein Stier.
Wenn ich aber so viele Martinis trinken würde wie Sean Connery in „Dr. No“ beim nächtlichen Warten auf den Bösen, dann wäre ich bei dessen Auftauchen längst eingeschlafen, und der Böse hätte ein leichtes Spiel. Darum verabrede ich mich zum Happy-Hour-Trinken auch immer so spät wie möglich, kurz vor Ende der glücklichen Stunden, das heißt in den meisten Fällen halb acht oder so. Denn danach geht nichts mehr, oder will jemand behaupten, man könne nach drei zünftigen „Bronx“ oder „Mai Tais“ noch nach Hause gehen und irgendetwas anderes machen als ein bisschen glücklich herumlallen und vielleicht noch RTL 2 gucken oder im besten Falle das Bett neu beziehen (weil da ja nichts kaputtgehen kann, falls etwas herunterfällt)?
Wer geht denn überhaupt schon um 17 Uhr zur Happy Hour, nur Frühaufsteher ohne Familie (vielleicht Chirurgen nach der Frühschicht, solo, und wegen zu viel Arbeit) und echte Alkoholiker, oder? Schon deswegen verfolge ich die leidigen Rentendiskussionen. Denn wenn man später genug Rente kriegen würde und vorausgesetzt, die körperliche Verfassung ist noch eine gute, könnte man endlich die Happy Hour richtig wahrnehmen.
Mit ein paar Cocktails ganz früh den Abend einläuten, danach, so gegen 20 Uhr, mit dem Seniorenticket in den Bus hüpfen und nach Hause zuckeln, in die fidele Rentner-WG. Man guckt noch einen ollen James-Bond-Film, den man natürlich schon kennt, im digitalen Pay-TV, und geht früh ins frisch bezogene Bett. Ich freu mich schon darauf, das wird richtig super.
Jenni Zylka
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