Theater Das Stück „Illegale Helfer“ gibt FluchthelferInnen eine Stimme: Im Kampf gegen starre Gesetze
Mehrere Jahre hat die Theaterautorin Maxi Obexer an ihrem Stück „Illegale Helfer“ gearbeitet. Sie hat mit FluchthelferInnen in Deutschland, Österreich und der Schweiz gesprochen und die Hintergründe recherchiert. Sie rückt in ihrem Stück Menschen in den Mittelpunkt, über die selten gesprochen wird, und wenn, dann nur als Kriminelle.
Yvonne Groneberg (Regie), Nikolaus Frinke (Bühne/Kostüme) und Helge Hübner (Dramaturgie) haben „Illegale Helfer“ am Donnerstag im Hans Otto Theater Potsdam erstmals auf eine deutsche Bühne gebracht. Diskutiert wurde es jedoch bereits vorher. Die AfD-Fraktion im Potsdamer Stadtrat sah in dem Stück „Gesetzesbrecher“ glorifiziert und wollte es im Vorfeld verhindern. Intendant Tobias Wellemeyer widersprach. Er sah Theater in der Pflicht, die moralische Debatte um persönliches Gewissen zu führen.
Die AfD wollte die Aufführung verhindern
Das ist gut, denn Maxi Obexers Textvorlage stellt wichtige Fragen nach dem Verhältnis von Recht und Gesetz und entwickelt eine klare Haltung – dass nicht immer recht ist, was richtig ist, das Richtige jedoch getan werden muss, um den Menschenrechten gerecht zu werden.
Acht HelferInnen lässt das Stück zu Wort kommen. Ihre Motivationen sind so vielfältig wie es ihr sozialer Hintergrund ist. Da gibt es den Rentner, dessen Familie von den Nazis politisch verfolgt wurde, oder den Verwaltungsrichter, der eigentlich Asylablehnungen stempelt und das irgendwann nicht mehr aushält.
Alle sind sie starke Figuren, die die zwei Schauspielerinnen und zwei Schauspieler der Inszenierung sehr facettenreich darstellen: mit all der Wut auf die bestehenden Verhältnisse sowie Gewissensbissen und dem Stolz, die eine solche Tat mit sich bringen.
Gegenspieler aller HelferInnen sind die Nationalstaaten und starre Gesetze, die mitunter Menschenrechte aushebeln. Die SchauspielerInnen feuern die Gesetzestexte im Chor wie Gewehrsalven durch den Raum, hart und unnachgiebig. Die Musik von Marc Eisenschink unterstützt die bedrohliche Atmosphäre. Sie wirkt mechanisch und manchmal aggressiv-düster.
Die Kulisse ist karg. Lediglich eine betongraue Drehbühne steht in der Reithalle des Hans Otto Theaters. Im Mittelpunkt stehen die Erzählungen der ProtagonistInnen. Doch so, wie die Geschichten der Geflüchteten Spuren bei ihren HelferInnen hinterlassen, hinterlässt auch das Stück Spuren an der Bühne. Zerrissene Gesetzestexte fliegen durch die Luft, Bilder von Geflüchteten liegen zerknüllt am Boden, Zettel mit Verordnungen und geschmierte Slogans schmücken die Trennwand im Zentrum der Bühne.
Bevor „Illegale Helfer“ als Stück auf die Bühne kam, hat es der WDR im vergangenen Jahr als Hörspiel produziert. Die Theaterinszenierung lässt erahnen, wie gut und vielleicht sogar besser es im Radio aufgehoben ist. Die Erzählungen der einzelnen Figuren sind bereits für sich genommen so kraftvoll, dass beinahe jede visuelle Ablenkung stört. So kämpft zuweilen die Inszenierung gegen die starke Vorlage und geht daraus als Verliererin hervor.
Trotzdem, „Illegale Helfer“ fügt der Flüchtlingsdebatte eine wichtige Perspektive hinzu und hat die Aufmerksamkeit verdient, auch ohne AfD.
Ronny Müller
Wieder am: 17. und 26. Juni
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