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Archiv-Artikel

The Latin Taxi Driver

„Dias de Santiago`` von Josué Méndez erzählt von der verlorenen Kriegsgeneration Perus

Zu den Opfern jedes Krieges zählen die Soldaten. Egal, ob sie gesiegt oder verloren haben, sie kehren als eine verlorene Generation zurück, in eine Heimat, die nicht mehr die ihre ist, weil sie sich unwiederbringlich verändert haben. Jene Fähigkeiten und Tugenden, die ihnen für den Kampf antrainiert wurden, sind in Friedenszeiten nutzlos und ihre traumatischen Erfahrungen machen es ihnen oft unmöglich, sich in der zivilen Gesellschaft anzupassen. Diese alte Geschichte wird nach jedem neuen Krieg wieder erzählt, jüngst etwa im letzten Akt des amerikanischen Spielfilms über den ersten Irakkrieg „Jarhead“. In Hollywood entstand in den 70er und 80er Jahren ein ganzes Subgenre mit Filmen über Vietnamveteranen, in dem mit „The Deer Hunter“ und „Taxi Driver“ cineastische Meisterwerke geschaffen wurden.

In Peru kämpfte die Armee seit den 80er Jahren gegen Terroristen oder Drogenhändler und später gab es bewaffnete Auseinandersetzungen im Grenzgebiet zu Ecuador. Durch diesen jahrzehntelang schwelenden Kriegszustand entstand dort eine Kaste von Ex-Soldaten und da das arme Land so gut wie keine sozialen Netze für sie aufspannte, verelenden viele von diesen schnell. Der junge peruanische Filmemacher Josué Méndez erzählt von solch einem zugleich sozialen und psychischen Abstieg. Sein Protagonist ist der 23-jährige Santiago Roman, der nach einem dreijährigen Einsatz im Dschungel seine Entlassungspapiere erhält und schnell merkt, dass es für ihn keine Zukunft mehr gibt. In Lima ist er bei seiner Familie eher geduldet als willkommen und seine Hoffnungen auf eine Ausbildung als Computerspezialist werden schnell zerstört, denn das erhoffte Stipendium war nur eine leere Versprechung. Sein Ansehen ist so gering, dass er nicht einmal einen Eisschrank auf Raten kaufen kann und diese Demütigung durch einen Verkäufer führt zu einem Wutausbruch, nach dem man ahnt, wie viel Gewalt und Wut Santiago unterdrücken muss, um auch nur halbwegs im Alltag funktionieren zu können. Seine früheren Kameraden haben schon früh jede Hoffnung auf Integration aufgegeben und diskutieren darüber, ob sie besser mit Drogen handeln, ein Bordell betreiben oder eine Bank überfallen sollen. Doch Santiago versucht, das Richtige zu tun. Dies versteht nur sein alter Freund Rata, aber der entscheidet sich für den dritten Weg aus der Misere und hängt sich auf. So erwartet man auch ein ähnlich gewalttätiges Ende bei Méndez, aber Santiago erbt dessen Auto und beginnt damit als Taxifahrer zu arbeiten. Hinter seinem Steuer schimpft er immer drastischer über den Abschaum der Stadt und steigert sich in Phantasien, in denen er als einsamer Held junge, unschuldige Mädchen vor diesem Moloch rettet.

Spätestens bei diesen Sequenzen erkennt man das Vorbild. Schon in einer früheren Einstellung zitiert Méndez ganz direkt Scorseses „Taxi Driver“, indem er zeigt, wie Santiago in seinem Schlafzimmer auf einen imaginären Gesprächspartner einredet - genau wie De Niros Travis Bickle in der berühmten (“You talkin‘ to me???“) Spiegelszene. So erwartet man auch ein ähnlich gewalttätiges Finale in diesem Film, aber Méndez ist kein Epigone und deshalb endet „Dias de Santiago“ auf einer ganz anderen, wenn auch ähnlich niederschmetternden Note. Auch stilistisch traut sich der 30-jährige Regisseur in seinem Debutfilm einiges, wenn er scheinbar zufällig Schwarzweiß- und Farbbilder mischt und mit seiner Handkamera immer sehr nah an seinem Protagonisten bleibt, wodurch wir Lima mit seinen Augen als einen dreckigen, trostlosen und bösartigen Ort sehen und den Krieg spüren, der immer noch in ihm wütet. Wilfried Hippen