: „,The Beach' war mein Experimentalfilm“
■ Tilda Swinton bekam jetzt den 3. Bremer Filmpreis überreicht. Eigentlich gilt sie als faulste Frau Großbritanniens
Sie ist nicht hübsch, sondern schön. So sinnlich wie bei ihr wirkte Intelligenz vorher nur bei Marlene Dietrich. Sie hat nicht viele Filme gemacht, aber ihre Arbeit mit Derek Jarman und Sally Potter in „Orlando“ machte aus ihr eine Ikone des subversiven, klugen, experimentellen britischen Kinos. Dafür bekam sie den diesjährigen Bremer Filmpreis, und der bestand neben dem Scheck über 15.000 Mark aus einem kleinen Kissen mit ihrem gehäkelten Gesicht drauf. Genau das passende für die Couch einer Künstlerin, die sich selber als Müßiggängerin bezeichnet.
taz: Miss Swinton, in Ihrer Dankesrede haben Sie gesagt, Sie hätten sich so sehr bemüht, nichts zu erreichen, und dafür würden Sie jetzt ausgezeichnet. Soll das heißen, dass Sie faul sind?
Tilda Swinton: Ganz genau, und das ist kein Scherz. Ich bin eher träge, mache alles erst in der allerletzten Minute und gelte in Großbritannien als die Frau, die sich am meisten verweigert.
Was halten Sie dann von solch einem Preis?
Es ist komisch, aber wenn man mir vorher von solch einer Auszeichnung erzählt hätte, wäre ich mir ziemlich sicher gewesen, dass sie irgendwo in Deutschland verliehen würde. Solch ein Preis mit mir als Preisträgerin wäre in Großbritannien unmöglich. Für mein Gefühl gibt es Deutschland eine eigene Art, den Widerstand zu ehren. Ob dies nun heißt, er ist hier so machtlos, dass man ihn ruhig ehren kann, weiß ich nicht, aber in England wird der Widerstand einfach ignoriert.
Das ist wirklich merkwürdig, weil ich denke, solch eine Persönlichkeit wie die Ihre mit solch einer zugleich kultivierten und radikalen „resistance“ kann nur aus Großbritannien kommen.
Ich entspreche nun wirklich nicht dem Stereotyp des Britischen.
Das tat Oscar Wilde auch nicht.
Ah, ich sehe worauf Sie hinauswollen. Aber an dem Beispiel sehen Sie auch, wie schwer es die Briten den Widerständlern machen. Ich arbeite zum Beispiel so gut wie gar nicht mehr in England, und die Filme, die ich mit Derek Jarman gemacht habe, wurden zwar in England produziert, aber in erster Linie aus Deutschland und Japan finanziert. Ich beklage mich nicht, aber diese Situation amüsiert mich.
Warum bestehen Sie so ausdrücklich darauf, eher eine Performerin als eine Schauspielerin zu sein?
Weil der Begriff Schauspielerin mir so falsch für das vorkommt, was ich mache. Für mich sind die Projekte, die ich mit Derek Jarman gemacht habe, immer noch das kreative Herz meiner Arbeit. Die erzählerischen Spielfilme, in denen ich danach auftrat, scheinen mir eher Seitenwege zu sein. Das Lexikon meiner Arbeit ist in diesen authentischen, dokumentarischen, improvisierten, oft ganz stummen Darstellungen. Und was ich in „The Last of England“ oder „The Garden“ gemacht habe, kann man doch nicht schauspielen nennen!
Ich habe Sie im letzten Jahr auf der Berlinale gesehen, als Sie neben Leonardo Di Caprio „The Beach“ vorgestellt haben, Ihren bisher ersten reinen Mainstreamfilm, und Sie schienen völlig fasziniert von diesem absurden Medienrummel gewesen zu sein.
Genau so war es, ich kam mir vor wie der Geheimagent, der im Feindesland lauscht und sich alles merkt. „The Beach“ ist mein Experimentalfilm. Es hat mich so gejuckt, weil es so pervers war: Leonardo Di Caprio, Danny Boyle, das Buch von Alex Garland, und dann ich dazwischen, das musste ich einfach machen.
Es war also kein Karriereschritt von Ihnen in Richtung Hollywood?
Aber dies ist so sehr außerhalb meines wirklichen Interesses, es war etwas, was mit meiner wahren Identität kaum etwas zu tun hat. Obwohl man dann wieder sagen kann, dass es sehr enthüllend ist, dass ich mich auf diese Perversion eingelassen habe. Wenn ich mit meiner Agentin oder Kollegen spreche, merke ich natürlich schon, wo da normalerweise die Prioritäten liegen, aber ich habe einfach ganz andere Wurzeln, und andere Dinge sind mir wichtiger.
Kann man sagen, dass Sie eher neugierig als ehrgeizig sind?
Absolut, ich bin sogar sehr ehrgeizig in meiner Neugier. Ich langweile mich sehr schnell, und weil ich zudem auch noch so faul bin, verliere ich dann schnell die Geduld. Deshalb ist es immer die wichtigste Entscheidung für mich, mit wem ich arbeite. Denn wenn man in einem Team oder zumindest mit einem Menschen zusammen ist, mit dem man sich wirklich unterhalten kann, dann entwickelt sich der Film ganz natürlich, und irgendwann ist er dann fertig und man sagt „Oh, okay, reden wir über den Nächsten“, und weiter gehts!
Fragen: Wilfried Hippen
Das Kino 46, Waller Heerstraße 46, zeigt noch bis Ende Januar fünf Filme mit Tilda Swinton. Kontakt %38 76 731.
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