: Thank you, fuck you, good bye
■ Wie lebt es sich im Filmförderdschungel? Was heißt es, in Deutschland einen Thriller zu drehen? Fragen an Lars Becker
Wenn sich Lars Becker an seinen Schreibtisch setzt, hängt ihm gegenüber ein Plakat seines Films Schattenboxer. „Thank you, fuck you and good bye“ ist da zu lesen, ein täglicher Einpeitscher, den ein Regisseur, der im deutschen Filmförderdschungel lebt, wahrscheinlich gut brauchen kann. Nach zwei Kriminalromanen und einem Dokumentarfilm inszenierte Becker 1993 seinen ersten Thriller, der im Feuilleton respektvollen Widerhall fand und in dem sich sein Faible für Themen um Afrika fortsetzte.
Eineinhalb Jahre brauchte er, um 900.000 Mark bei fünf Fördereinrichtungen einzusammeln. Was bedeutete, daß sich der Autor, Regisseur und Mitarbeiter von Wüste Film Produktion eineinhalb Jahre nur mit Produzentenfragen beschäftigte. „Ich war nicht unzufrieden in der Zeit, so bin ich sowieso nicht drauf“, meint Becker auf die Frage nach seinem damaligen Gemütszustand – oft genug mag er sich aber „Thank you, fuck you and good bye“ gedacht haben. Geld ist Drehzeit, hat er in der Zeit gelernt. Und vielleicht hat es auch damit zu tun, daß Schattenboxer frei ist von Sozialkitsch, Manierismus und sich in dem schnörkellos konstruierten Film Beckers Biografie und Alltag auch formal wiederfindet. „Ein guter Film kann einem Zuschauer zu einer neuen Vorstellung der Wirklichkeit verhelfen“, dieser Gedanke bestimmt die Arbeit des lakonischen Cinema Beur-Freundes, der sich für Schattenboxer den Vorwurf gefallen lassen mußte, der Film sei rassistisch, weil man zuwenig von der Biografie eines Afrikaners erfahre.
„Mein Ziel ist es, Rollen unabhängig von politischen und rassistischen Klischees zu besetzen“, kommentiert Becker, „es gibt Talente ohne Ende. Außerdem glaube ich: Wenn Geschichten gut gebaut sind, kann man immer noch entdecken, was darin als politischer Subtext versteckt ist. Bei Fernsehproduktionen gibt es da allerdings Probleme. Wenn es darum geht, den Good Guy mit einem Ausländer zu besetzen, wird sehr genau geguckt, ob er auch wirklich gut ist. Einen Drogenhändler kann man hingegen problemlos mit einem Albaner besetzen.“
taz: „Schattenboxer“ beeindruckte vor allem als Milieustudie.
Lars Becker: Ich nehme mir viel Zeit, eine Szene kennenzulernen. Die Menschen entsprechen in keiner Weise den Klischees – die Nutten nicht und nicht die Zuhälter. Nach Schattenboxer galt ich wohl als Kiezexperte, da habe ich Bücher angeboten bekommen, die konnte ich nur ablehnen. War gar nicht mehr korrigierbar, die Exposition war verkehrt, die ganze Haltung gegenüber den Menschen. Ich finde, in einem Film, der in einem bestimmten Milieu spielt, sollte man Straßen und Städte kennenlernen, ohne daß man das Gefühl hat, es ist die Kneipe um die Ecke.
Gibt es eine Kontroverse über die Kinosituation unter den Regisseuren?
Nein, gibt es eigentlich nicht. Es gibt eine gewisse Öffentlichkeit durch das Filmbüro. In der Regel versucht man, sich füreinander stark zu machen. Ich werde mich jedenfalls nicht an der Schelte über Kollegen wie Dominik Graf beteiligen, weil sein Film Die Sieger an der Kinokasse gescheitert ist.
Was war verkehrt an „Die Sieger“?
Der Film suggerierte, in dem Genre Krimi mit den Amerikanern konkurrieren zu können. Dann das Plakat, das aussah, als werbe es für den Film „Die Loser“, auf dem oben zu lesen war „brillantes deutsches Kino“. Also das lernt man wirklich im Marketingseminar an der Volkshochschule, daß man nicht das Problem aufs Plakat bringt. Es hätte mich sehr gefreut, wenn Die Sieger Erfolg gehabt hätte. Es ist ein ambitionierter Genrefilm, keine Komödie. Damit zeigt man ja den Kräften, die das Geld haben, was möglich ist.
Gibt es zwischen Ihnen und Hamburgs großen Produzenten eine Kommunikation?
Nein, eigentlich nicht. Die orientieren sich an internationalen Koproduktionen und suchen keinen Kontakt zu jungen Talenten, obwohl wir dringend Produzenten brauchen, die mehr Geld in Filme stecken. Ich glaube, daß Stories erfolgreich sind, die einen eigenen Weg suchen, auch im Genre.
Christa Thelen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen