■ Thailands Regierungschef bastelt an seiner Biographie: Die Gnade der späteren Geburt
Bangkok (taz) – Wer in Thailand leben will, muß sich mit den Geistern gut stellen. Nichts klappt, wenn man es sich mit diesen überaus regen Wesen verscherzt. Sie können auf wertvollen Grundstücken mitten in der teuersten Gegend der Stadt herumspuken, und dann will niemand einziehen – außer ein paar Ausländern, die sich über die günstige Miete freuen. Geisterhäuschen neben den Hauseingängen, gefüllt mit Blüten und Obstgaben, sollen dafür sorgen, daß die geheimen Bewohner besänftigt werden.
Gegenwärtig ist das prominenteste Opfer von Geisterzorn in Bangkok zweifellos der Regierungschef. Abgekämpft und unglücklich wirkt Banharn Silpa-archa in diesen Tagen, wann immer er im Fernsehen oder auf Zeitungsfotos erscheint.
Und das liegt nicht nur an den üblen Verleumdungen, die ihm aus dem Parlament und den Zeitungen entgegenschmettern: Er sei unfähig, korrupt und demokratiefeindlich.
Nein, seine wahren Peiniger sind die unsichtbaren Hände, die seine Unterlagen durcheinanderbringen und ihn so verwirren, daß er schon nicht mehr genau wissen kann, wie lange er zur Schule gegangen ist, ob sein Papa wirklich Thailänder war, und wann er eigentlich geboren ist.
Wenn er dann morgens die Zeitung aufschlägt, springen ihm wieder neue Gemeinheiten ins Auge: Die Bangkok Post hielt es am vergangenen Freitag gar für nötig, Dokumente abzudrucken, die beweisen, daß Banharn erst kürzlich den Tag seiner Geburt um einen Monat verschoben hat. „Beobachter meinen“, schreibt die Zeitung dunkel, „daß dies geschah, um den Geburtstermin auf ein astrologisch günstigeres Datum zu verschieben.“
War Banharn früher ein am 20. Juli 1932 geborener Krebs, bekennt er sich nun zur Löwengeburt am 19. August. Grund: Schlechte Sterne rückten nach der blutigen Niederschlagung der demokratischen Proteste im Mai 1992 in das Horoskop des heutigen Regierungschefs. Außerdem ist der Löwe das Zeichen vieler berühmter und berüchtigter thailändischer Premierminister gewesen.
„Damit kommt er nicht durch“, hofft ein Abgeordneter. Bislang hat Banharn sich aber noch wacker geschlagen. Alle Dokumente, die zeigen, daß er auf wundersame Weise innerhalb von zwölf Monaten drei Schuljahre absolvierte und sich damit die Voraussetzungen für ein politisches Amt erwarb, konnten ihm bislang nichts anhaben.
Auch der Plagiatsvorwurf schien ihn nicht zu irritieren: Unter heftigem Gekichere der Abgeordneten wurde seine kürzlich verfaßte Magisterarbeit im Parlament zitiert, die in großen Teilen wortwörtlich einer Seminararbeit aus der Feder seines Prüfers entsprach. Sein Bruder, ein ehemaliger Universitätsdozent, sprang ihm bei: Abschreiben sei in Thailand eben üblich. Wozu die ganze Aufregung?
Da sollten die Geister ein Einsehen haben: Vielleicht ist der Regierungschef akademisch nicht so fit, dafür aber Politiker mit Leib und Seele. Jutta Lietsch
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