: Texterinnen weggehext
Das Literaturzentrum widmet sich mit Marieluise Fleißer und Sibilla Aleramo zwei halb vergessenen Autorinnen, die lebenslang um Anerkennung ringen mussten
In einem 1930 von ihr verfassten Drama lässt Marieluise Fleißer zwei Literaten miteinander streiten. Zwischen ihnen sitzt eine Frau, die der Satz trifft: „Klammern wir diese Frau doch einfach aus.“ Es ist ein Schlüsselsatz für das Leben Fleißers, in dem sie beständig um ihre Existenz und Anerkennung als Künstlerin gerungen hat. Ein Satz, mit dem die 1901 Geborene die Situation vieler Autorinnen ihrer Generation traf, denen sich die Tore zu einem männlich dominierten Literaturbetrieb nur unter größten Anstrengungen öffneten. Viele, wie Marlen Haushofer, Johanna Moosdorf oder Ilse Langner, sahen sich einer einseitigen Rezeption ausgesetzt, die dazu beitrug, dass diese Autorinnen an den äußersten Rand des literarischen Gedächtnisses gerieten.
Wenigstens einige Namen wieder ins Zentrum zu rücken hat sich das Literaturzentrum an zwei Abenden vorgenommen, deren abschließender sich jetzt Marieluise Fleißer und Sibilla Aleramo widmet. „Die Geschichte hat immer wieder ein Loch, in das die Frauen fallen“, sagt Jutta Heinrich. Selbst Schriftstellerin, wird sie über die Vorgängerin Fleißer sprechen, Texte von ihr lesen, um anzugehen gegen das „Versinken ins Vergessen“.
Fleißers Biographie ist tatsächlich in vielem exemplarisch für eine Künstlerinnenexistenz ihrer Zeit. Denn was war an gesellschaftlicher Akzeptanz in einem Kulturkreis zu erwarten, in dem Frauen über Jahrhunderte Geist und Intellekt abgesprochen wurden? Die eigenständige Künstlerin entsprach ganz und gar nicht dem idealen Frauenbild jener Zeit. Und das warf Probleme in alle Richtungen auf: im Privatleben, da selbst die progressiven Männer solche Eigenständigkeit so dicht an ihrer Seite meist nicht ertrugen – aber auch im Literaturbetrieb, dessen männlich ausgerichtete Kritik eine objektive Rezeption verstellte. Vielen Zeitgenossen Fleißers war eine Frau, die „gute“ Literatur schreibt, schlicht eine Unmöglichkeit. Typisch für diese Haltung war eine anerkennende Kritik über ihr erstes, mit Hilfe von Brecht 1926 aufgeführtes Stück Fegefeuer in Ingolstadt: Jene Kritiker zweifelten schlicht die weibliche Autorschaft an.
Nach ersten Erfolgen in den Zwanzigern verfasste die Dichterin unter einem Schreibverbot der Nazis und unter den Bedingungen einer katastrophischen Ehe dann nur wenige Texte. Erst in den 60er Jahren, nach dem Tod ihres Mannes, trat sie wieder produktiv an die Öffentlichkeit. Der Geist von 68 war dann offen für die „Sprach-Revolutionärin“, die Jutta Heinrich in ihr sieht, für ihren sezierenden Blick auf die Formen gesellschaftlicher Unterwerfung. 1972 wurden ihre gesammelten Werke herausgebracht, doch danach verblasste die Präsenz der 1974 gestorbenen Autorin erneut.
Anders als Fleißer, die sich fast lebenslang an dem Spagat zwischen Dichterinnenexistenz und Konvention aufrieb, brach ihre italienische Kollegin Sibilla Aleramo, die an diesem Abend im Literaturzentrum ebenfalls vorgestellt wird, mit den Zwängen eines bürgerlichen Lebens. Allerdings hatte auch die 1876 geborene Schriftstellerin lange in einer aufgezwungenen Ehe gelitten, bevor sie es wagte, sich dem Leben als freie Autorin auszusetzen.
Aleramo machte sich zunächst als Journalistin einen Namen, bevor 1906 ihr provozierender und dennoch erfolgreichster Roman Una donna erschien, einer der ersten feministischen literarischen Texte in Italien. Die Autorin Margret Steenfatt, beeindruckt von der „grenzüberschreitenden Kraft“ Aleramos, wird mehr über deren Werk und Leben verraten.
Carola Ebeling
Mi, 15.12., 20 Uhr, Literaturzentrum, Schwanenwik 38